Die digitale Transformation hat gefühlt schon einen Bart, bevor sie überhaupt so richtig angefangen hat. Manch einer mag den Eindruck haben, dass dazu bereits alles gesagt, diskutiert oder gefordert wurde. Tatsache ist allerdings, dass die Digitalisierung gerade hier in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, während andere Nationen beschwingt in Siebenmeilenstiefeln voranschreiten. Grund genug also, sich hierzulande intensiv mit der (digitalen) Zukunft auseinanderzusetzen. Auch das Ländle mit seinen Global Playern und den vielen Hidden Champions meint es ernst – das bewies nicht zuletzt der vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg abgehaltene Digitalgipfel 2019 – Wirtschaft 4.0 BW am 11. April 2019.
Net schwätze, mache!
Von den Chancen, aber auch den Herausforderungen für kleine und mittelständische Unternehmen war an diesem Tag mit ambitioniertem Programm und einer großen Bandbreite an Speakern die Rede. Als Gastgeberin der Veranstaltung betonte Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut gleich zu Beginn, dass das Land Baden-Württemberg in der Vergangenheit keineswegs die Hände in den Schoß gelegt habe und sich durchaus mit der Thematik auseinandersetze. Mithilfe von Projekten wie regionale Digital Hubs sollen in Zukunft gerade die KMU bei der Gestaltung der digitalen Transformation seitens des Ministeriums noch besser unterstützt werden. Mit Blick in die USA und vor allem China, die zum Teil Investitionen in Milliardenhöhe betreiben, wirkt das eher als „nice try“ und weniger wie ein ernst gemeintes Zugeständnis.
Die Bedeutung und die Auswirkung der Digitalisierung im Allgemeinen und der künstlichen Intelligenz im Speziellen ließen der KI-Experte Prof. Dr. Cédric Villani, Abgeordneter der französischen Nationalversammlung, und der in der Schweiz forschende KI-Pionier Prof. Dr. Jürgen Schmidhuber anklingen. Allem voran die beiden Schlagwörter „Kollaboration“ und „Daten“ bildeten die Essenz der beiden Vorträge. Trotz vieler visionärer Aspekte aus der KI-Forschung fehlte es nicht an Querverbindungen zu praktischen Ansätzen, sodass auch KI-Newbies sich abgeholt und mitgenommen fühlen durften. Nicht zuletzt der wiederholte Appell Schmidhubers an das Bewusstsein der Unternehmen, über welche großen (Daten-)Schätze sie verfügen, mithilfe derer sie in Zukunft Maschinen anfüttern und intelligenter machen können, machte Hoffnung, dass es zumindest hier in Baden-Württemberg gar nicht so schlecht steht.
Wie Netzwerken, nur anders gedacht
Über das Material zu verfügen, ist das eine, der entsprechende Umgang damit jedoch das andere. Beispiele für „How to Digitalisierung“ lieferten gleich mehrere kleine und mittelständische Unternehmen aus BaWü. Darunter der Werkzeugmaschinen- und Laserhersteller TRUMPF mit einem Einblick in seine Digitalisierungsstrategie, die er parallel zum eigentlichen Kerngeschäft vorantreibt. Weitere mal umfassendere, mal eher kleinformatige Digitalisierungs-Best Practices folgten später unter anderem vom Schmiedeunternehmen Rosswag GmbH, der AOK Baden-Württemberg bis hin zum Schreinermeister aus Bad Wildsee. Auch hier lautete das Zauberwort meistens: Zusammenarbeit – oder neudeutsch „Collaboration“. Zwischen den Zeilen konnte man immer wieder heraushören, dass es nicht allein an der Technik hakt, sondern oftmals auch am Faktor Mensch. Kein Wunder, oft fehlt es nicht nur an der fehlenden Erfahrung im Umgang mit neuen Tools und Servicemodellen, sondern auch an der entsprechenden Einstellung. Und die lässt sich auch nicht mit Milliardensummen kaufen.
Neben den unterschiedlichen Einblicken ins Jetzt und in die (digitale) Zukunft, blieben an diesem Tag dennoch einige Antworten offen. Beispielsweise bei der Frage, wie ethisch Künstliche Intelligenz sein kann, wie sich Diskriminierung von gewissen sozialen Gruppen verhindern lässt und wie die Regulation der Regierung ausfallen muss. Nach den vielen „Wenn, dann“s und „Vielleicht so“s, blieb der Eindruck, man schiebe die Diskussion lieber auf die lange Bank. Zugegeben, das Fass war für die eng getaktete Agenda bei weitem zu groß. Natürlich mussten auch die Themen Fachkräftemangel und entsprechende Aus- bzw. Weiterbildung stattfinden, wenn auch von ähnlicher philosophischer (Nicht-)Tiefe. Am Ende blieb – kaum überraschend –viel Unschlüssigkeit übrig, wie sich diese Herausforderung wohl am besten stemmen lässt und inwieweit Schulfächer wie „Programmieren“ künftig fester Bestandteil des Lehrplans sein sollten.
Der Anfang von etwas Großem
Am Ende des vollgepackten Tages, der die umfangreiche Thematik nachmittags in verschiedenen Workshops weiter vertiefte, lässt sich zusammenfassend sagen: Es isch bessr, als en Briegl uff der Nos, ond wenn’r no so guad sitzt! (= es ist halb so schlimm!) Ja, es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Grundsätzlich scheint das Bewusstsein allerdings bis in die Politik und in den Mittelstand vorgedrungen zu sein. Natürlich kann sich Deutschland nicht mit der vorbehaltslosen Macher-Mentalität der USA vergleichen. Hier passieren Dinge eben mit einem anderen Spirit. Wenn erst einmal der Schalter umgelegt und der Transfer hergestellt ist, könnte gerade die Wirtschaft Baden-Württembergs zum Zugpferd der „Digitalisierung made in Germany“ werden. Wer weiß, wie weit wir bis zum nächsten Digitalisierungsgipfel schon gekommen sind. Wir sind gespannt!
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