Weltmarktführer und ihre Geheimnisse

Gestern Abend ging der 1. Kongress der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall zu Ende. Vom 24.bis 26. Januar 2011 drehte sich beim Gastgeber, der Bausparkasse Schwäbisch Hall, alles um Erfahrungsaustausch, Lernen von anderen und natürlich auch ein bisschen um die Selbstdarstellung. Tatsächlich war es für die rund 300 Teilnehmer faszinierend zu hören, mit welchen Methoden es mittelständischen Unternehmen gelingt, sich an der  Weltspitze zu etablieren und zu halten.

Wie so oft boten nicht nur die großen Namen und die Hauptreferate den größten Erkenntnisfortschritt. Besonders interessant, auch aus Kommunikationssicht, waren die Vorträge von Dr. Günter Blaschke, CEO der Rational AG in Landsberg, und von Christian Gansch, Dirigent, Produzent und Consultant. Gansch hat bereits zahlreiche international renommierte Orchester dirigiert – von den Münchner Philharmonikern über das Russian National Orchestra bis zum Royal Scottish National Orchester und vielen anderen. Nach knapp zwei Jahrzehnten in der Musikindustrie gibt er heute seine Erfahrungen als Referent und Kommunikationsberater weiter.

Das Unternehmen dirigieren
Christian Gansch machte den Zuhörern augenzwinkernd deutlich, welche Misstöne Unternehmen daran hindern, dauerhaft erfolgreich zu sein. Mit musikalischer Untermalung gab er Einblick in die Arbeit eines Dirigenten und das Zusammenwirken eines Orchesters. Der Dirigent sei keinesfalls derjenige, der alles bestimme und im Griff habe, erzählte Gansch, er koordiniere nur. Ein großes Orchester verfüge über 30 Führungskräfte und bestünde letztlich aus 140 Primadonnen, die doch gemeinsam so spielen müssten, dass es dem Zuhörer gefalle. Das Wichtigste sei, aufeinander zu hören und sich gegenseitig zu respektieren. Erst aus dem Wechselspiel der Kräfte, aus der Interaktion und der Vielfalt entstehe ein erstklassiges Spiel, das bei den Zuhörern Emotionen wecke. „Dieses Wechselspiel erreichen Sie nur mit intensiver Kommunikation. Bei manchen Proben wird mehr Zeit mit Reden und Diskutieren verbracht als mit Musizieren. Ganz klar, ein perfekter Informationsaustausch ist das Geheimnis erfolgreichen Teamworks.“

Und man möge nicht glauben, dass ein Orchester nicht innovativ sein müsse. „Der Interpretationsstil von Musik ändert sich alle paar Jahre. Täglich muss an Details des Spiels gefeilt werden“, so Gansch. „Dazu brauchen wir innere Prozesse, die uns dabei helfen, das Bewusstsein für Qualität, die Reibung und den Streit im Kommunikationsprozess sowie den Respekt vor den Zuhörern zu erhalten.“ Fehler gebe es immer wieder, aber der Anspruch müsse sein, sie zu bemerken und gemeinsam zu beheben, damit man höchste Qualität bieten könne. Bei der Zielsetzung, immer besser zu werden, gebe es ja keinen Unterschied zwischen Orchestern und Weltmarktführern: „In beiden Fällen ist Wahrnehmungskompetenz die wichtigste Führungseigenschaft.“

Ein Garten, in dem Innovationen gedeihen
Dr. Günter Blaschke, CEO der Rational AG, erläuterte den Kongressteilnehmern die Unternehmensstrategie am Beispiel des „Förster-Prinzips“. In bester Storytelling-Tradition machte er am Beispiel von Jäger, Förster und Rehen deutlich, wie man es schafft, sich bzw. sein Produkt so interessant zu machen, dass die Kunden sozusagen von einem Sog erfasst werden, der sie freiwillig zum Futtertrog – pardon: zum Kauf – treibt. „Wir konzentrieren uns nicht auf ein Produkt, sondern auf eine Aufgabe: warmes Essen außer Haus“, stelle Blaschke klar. „Und weil wir 200 Köche beschäftigen, wissen wir auch genau, was unsere Zielgruppe bewegt. Die wichtigste Frage für uns ist immer: Nützt das dem Kunden?“ Nur Innovationen schafften neue Weltmärkte, so der Unternehmenschef weiter. Deshalb sei die wichtigste Aufgabe, „Erfolgsfaktoren für Innovation“ zu schaffen, eine Umgebung, die Innovationen unterstützt.

Dafür hat Blaschke das ganze Unternehmen entsprechend umgekrempelt und führt es nach dem „Gärtner-Prinzip“. Sein Credo: „Sie können Radieschen nicht zum Wachsen zwingen. Sie können aber dafür sorgen, dass Ihre Radieschen schneller wachsen als die vom Mitbewerber.“ Statt Stellenbeschreibungen gebe es Aufgabenbeschreibungen, statt Abteilungen Prozessorganisation und keine Stäbe. Die Mitarbeiter sollten Unternehmer im Unternehmen sein. Dass das Konzept funktioniert, beweisen die hohe Mitarbeiterzufriedenheit, die Ertragsstärke des Unternehmens und nicht zuletzt der Börsenkurs. Blaschkes Zuhörer werden dieses Konzept wohl genau so wenig vergessen wie die Aufforderung „Denken Sie an die Rehe!“

Was macht die Führungsrolle aus?
In etwa zwei Dritteln aller Marktsegmente weltweit rangieren deutsche Unternehmen unter den Top 3-Anbietern. Der größte Anteil der Weltmarktführer ist in der Maschinenbauindustrie tätig. Von den 1.500 deutschen Unternehmen insgesamt, die zu den Weltmarktführern zählen, kommen über 1.350 aus dem gehobenen Mittelstand. Sie haben 30,6 Prozent Anteil am deutschen Gesamtexport. Kennzahlen, mit denen Prof. Dr. Bernd Venohr, Wissenschaftler und Strategieberater, zumindest teilweise das Geheimnis lüftete, wer denn nun und warum zu den Weltmarktführern zählt. „Merken Sie sich einfach die Zahl 70“, erläuterte Venohr eins seiner Charts, „mehr als 70 Prozent der Weltmarktführer sind in Familienbesitz, etwa 70 Prozent haben ihren Hauptsitz in ländlichen Regionen, und die Unternehmen sind durchschnittlich 70 Jahre alt.“ Die deutschen Weltmarktführer seien zumindest mittelfristig Gewinner der Globalisierung. Das liege auch daran, dass die überwiegend mittelständischen Unternehmen fünf Prozent vom Umsatz für Forschung und Entwicklung ausgeben – deutlich mehr als der Durchschnitt. „Es eint sie der Wille, Weltspitze zu bleiben!“.

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