Was Startups von Werner Siemens lernen können

Startups schießen zurzeit wie Pilze aus dem Boden, einige Gründer können inzwischen fantastische Erfolgsgeschichten erzählen, disruptive Geschäftsideen werden zur Gefahr für traditionelle Unternehmen: Seit ein paar Jahren geht eine Gründungswelle durchs Land. Selbst Konzerne engagieren sich bei Startups oder initiieren selber welche, um von der Kreativität, dem Macher-Spirit und der Risikobereitschaft der Enterpreneurs zu profitieren.

Gerade herrscht Aufbruchstimmung wie noch nie. Wie noch nie? Das stimmt nicht ganz. Vor 150 Jahren gab’s schon einmal eine Gründerzeit. Ihre Dynamik scheint aus heutiger Perspektive noch viel gewaltiger als all das, was New Economy, Web 2.0 und Industrie 4.0 verändert haben und verändern. Damals ging es um grundlegende Entdeckungen wie z. B. die Elektrizität und Telegrafie – Technik, die die Grundlage für die Industrialisierung und das moderne Leben gelegt hat.

Damals tüftelten auch Werner Siemens und sein Kompagnon Johann Georg Halske an der Telegrafentechnik, die später Städte, Länder und Kontinente miteinander verbinden sollte. Glühbirnen, Elektrobahnen und vieles mehr entwickelten und vermarkteten die beiden zusammen, zunächst in einer Wohnung, dann in einer Werkstatt, später in Fabriken. Aus ihrem Startup entstand schließlich der international agierende Konzern, die Siemens AG.

Das Buch „Der Brodelnde Geist“ erzählt das Leben des Gründers und Unternehmers Werner Siemens, anhand von Briefen, die er seiner Frau, seiner Familie und seinen Geschäftspartnern geschrieben hat. Die Lektüre des aufwändig gestalteten Werks macht Spaß zu lesen, fesselt, vermittelt Wissen und versetzt den Leser in eine der spannendsten Epochen der Wirtschaftsgeschichte.

Ich habe das Werk mit großem Interesse gelesen und einiges daraus auch für die heutige Gründergeneration mitgenommen:

  • Wer gründen will, braucht eine Vision, braucht Willen, braucht Wissen. Muss seine Idee unbedingt verwirklichen wollen.
  • Hinter einem erfolgreichen Enterpreneur stehen Lebenspartner und Familie, die Verständnis aufbringen, das Projekt „Unternehmen“ unterstützen, es wenigstens nicht torpedieren. (Werner Siemens’ Gattin war seine Beraterin und Mentorin bis zu ihrem Tod; auch seine zweite Frau bekräftigte ihn immer bei seinen Aktivitäten. Sein Bruder Wilhelm baute das Geschäft in Großbritannien auf. Seine Söhne begeistern sich ebenfalls für die Firma.)
  • Ein Gründer braucht gute Partner. Die erfolgreichsten Jungunternehmer sind diejenigen, die einen Kompagnon haben, der seine Stärken einbringt und eine Kongenialität schafft. Bei Siemens war es Halske. Bei Jobs war es Wozniak.
  • Networking ist wichtig. Sich mit anderen austauschen, seine Ideen bekannt machen, sich zusammentun, um Größeres zu entwickeln. Viele der Siemens’schen Erfolge beruhen auf seinen Beziehungen zu Wissenschaftlern, anderen Unternehmern, Multiplikatoren. Und zu dieser Zeit war es deutlich komplizierter, über weite Distanzen den Kontakt zu halten.
  • Ein Gründer braucht Mut (z. B., um ein Unterseekabel von Europa nach Amerika zu verlegen) und Durchhaltevermögen (z. B. wenn das Kabel bei den Verlege-Arbeiten mitten im Atlantik verloren geht.). Am Ende wird alles gut (z. B. wenn auf den dritten Anlauf das Kabel in zig Tausend Meter Tiefe doch noch gefunden wird).

Das Buch sollte lesen, wer sich für die Startup-Szene Mitte des 19. Jahrhunderts interessiert, wer das Leben und den Aufstieg eines Industriellen durch dessen Briefe kennenlernen möchte, wer von den Erfahrungen eines erfolgreichen Unternehmensgründers lernen will und wer gerne ein liebevoll gestaltetes und aufwändig verarbeitetes Werk in der Hand hält.

Nathalie von Siemens
Der brodelnde Geist. Werner von Siemens in Briefen
Eine moderne Gründergeschichte
EUR 39,90, 200 Seiten, mit ca. 50 Abbildungen
ISBN: 9783867745581

Über den Verfasser

Veit Mathauer ist einer der beiden Geschäftsführer von Sympra. Wirtschaftswissenschaftler, Journalist, PR-Mensch, Boardmitglied im internationalen Public Relations Network (PRN) und Blogger. Ansonsten auch in den einschlägigen sozialen Netzwerken zu finden.

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