Der AK BAU lud zur Jahreshauptversammlung nach Erfurt. Am Interessanten war’s aber in Sundhausen, Urleben und Blankenburg.
Wir treffen uns am Freitagmorgen am Hotel in der Erfurter Stadtmitte und fahren mit dem Bus in die Thüringer Provinz. Hier ist wirklich nicht viel los: große landwirtschaftliche Flächen, kleine Dörfer mit geschlossenen Ladengeschäften und leeren Wohnhäusern, wenige und wenn, dann vor allem ältere Menschen auf der Straße. Wie viele ländliche Gegenden ist auch der Unstrut-Hainich-Kreis geprägt vom Wegzug der Bevölkerung und dem daraus resultierenden Leerstand. Soziale und medizinische Angebote sind rar, Heimatgefühl und Zusammenhalt in der verbliebenen Gemeinschaft nehmen ab.

Wir kommen in Blankenburg an und werden vom Bürgermeister Christopher Kaufmann vor dem Backhaus des Dorfes bereits erwartet. Er wird uns berichten, wie er hier gegensteuert, um das Leben auf dem Land wieder attraktiver zu machen. Das erste Beispiel hierfür steht gleich gegenüber des Backhauses: der Gesundheitskiosk von Blankenburg – einer von fünfen in der Region. Entwickelt und gebaut in experimenteller Holzbauweise von PASEL-K Architects. In den Gesundheitskiosken erhalten die Dorfbewohner zu festgelegten Zeiten Gesundheitsberatung, Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und andere Services. Über frei zugängliches WLAN und große Fachbildschirme können sie mit Ärztinnen und Ärzten im nächstgelegenen Gesundheitskiosk oder in der Klinik sprechen. Ganz nebenbei ist der Kiosk auch Treffpunkt für Jung und Alt.


Dass dieses Konzept realisiert werden konnte und bei der Bevölkerung ankommt, ist vor allem engagierten Menschen wie Christopher Kaufmann zu verdanken. Der umtriebige Bürgermeister erzählt, wie er Förderprogramme aufgetan hat und gegen welche Widerstände er auf allen Ebenen ankämpfen musste, wie er im Architekten Prof. Ralf Pasel einen Partner gefunden hat, der nicht nur innovative Kioske entwirft, sondern auch noch gleich Studierende aus verschiedenen Ländern in die thüringische Provinz schickt, um die Holzgebäude zu errichten. Er hat einen Fahrdienst für ältere Mitbürger eingerichtet und bereits am zweiten Tag eine Abmahnung kassiert, weil er keine Lizenz zur Fahrgastbeförderung vorweisen konnte. „Nicht schlimm“, so Kaufmann, „denn wir haben kurzerhand einen Verein gegründet und unternehmen seither tägliche Vereinsfahrten.“ Ähnlich pragmatisch verlief die Gründung von Thüringens kleinster Schule, an der er mitwirkte: Mit zehn Schülern gestartet, werden dort heute über 100 Kinder unterrichtet. Kaufmanns Optimismus und Tatendrang beeindrucken uns schwer.

In Sundhausen, dem benachbarten Dorf, bauen gerade Studierende aus Berlin, Wien, Rotterdam, Santiago de Chile und Haifa zusammen mit Nachwuchshandwerkern einen leerstehenden Konsum aus DDR-Zeiten zu einem neuen Dorfmittelpunkt aus. In einem Haus-in-Haus-Konzept machen sie das alte Gebäude wieder bewohnbar; inzwischen beherbergt es neben einer Bürgermeisterei, einem Gesundheitskiosk und der Dorfkümmerei auch eine Mietarztpraxis. Die Sto Stiftung fördert das Projekt.
Erfurt hat Großes vor: die ICE-City entsteht
Wir fahren zurück nach Erfurt, um die Baumaßnahmen auf einem ehemaligen Bahngelände zu besichtigen. Durch die Busscheiben sehen wir zahlreiche verlassene Bahngebäude, einen großen Parkplatz, Gleisanlagen – aber niemand scheint uns auf dem großen Areal zu erwarten. Der Grund dafür: Wir sind an der falschen Bahnbrache angekommen, nicht an der, die wir eigentlich anschauen wollen. Diese ist zehn Busminuten entfernt und noch einmal deutlich größer! Hier, in Sichtweite zum Erfurter Hauptbahnhof, entsteht auf einer 30 Hektar großen Fläche die ICE-City.

Die Deutsche Bahn AG investiert als einer der größten Bauherren auf dem riesigen Gelände viel Geld. So will sie zum Beispiel für rund 130 Millionen Euro einen Verwaltungssitz für mehr als 1.000 Mitarbeitende errichten. Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen für den Bau des DB Campus als bundesweite Aus- und Weiterbildungseinrichtung. 110 Millionen Euro werden auf 7.600 Quadratmetern investiert, 15.000 Quadratmeter umfasst eine Grün- und Freizeitanlage. Wir befinden uns in einem alten Backsteingebäude, Teil des früheren Güterbahnhofs, das erhalten bleiben soll – im Gegensatz zu anderen Gebäuden, die bereits abgerissen sind. Deren Mauerziegel, weit über hundert Jahre alt und alle im sogenannten Reichsformat (25 cm × 12 cm × 6,5 cm), lagern einige Hundert Meter weiter auf großen Haufen. Dort werden sie im Auftrag der Firma Concular gesäubert, nach Farben sortiert und palettiert, damit sie in den neuen Gebäuden wieder zum Einsatz kommen können. Concular hat sich darauf spezialisiert, Materialien in Bestands- und Neubauten zu digitalisieren und in einer Materialdatenbank zur Verfügung zu stellen. Wer Bedarf an Material hat, kann in dieser Datenbank suchen. Bei einem Match von Angebot und Nachfrage kümmert sich das Start-up darum, dass die Materialien von der Rückbau- zur Neubaustelle kommen und misst dabei die Einsparungen von CO2-Emissionen und Abfallaufkommen.
Was noch?
- Wir haben die Mauerkronenbrücke besichtigt, die eine Jury zur schönsten Fuß- und Radwegbrücke gekürt und mit dem Deutschen Brückenbaupreis 2025 ausgezeichnet hat.
- Ich habe gelernt, dass ein Architekt beim Bau eines Hauses über 3.700 verschiedene Normen berücksichtigten muss – ein Grund, warum Bauen immer teurer wird. Und warum eigentlich jedes Büro einen Rechtsbeistand braucht.
- Die Deutsche Bahn AG investiert in den attraktiven Aus- und Weiterbildungsstandort auch deshalb, weil bis 2030 – also in fünf Jahren! – etwa die Hälfte aller Angestellten in Rente gehen wird, was konkret rund 100.000 Mitarbeiter von insgesamt etwa 214.000 bedeutet.
Zum Schluss
- Erfurt ist eine schöne und lebendige Landeshauptstadt; wer noch nie dort war, sollte das schleunigst nachholen.
- Der AK BAU ist ein wertvolles Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen aus Redaktionen, Unternehmenspressestellen und Agenturen – mit Schwerpunkt im Baubereich.

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