Erinnert sich noch jemand in Stuttgart an die Tage vor der Sperrmüllabfuhr? Damals, noch vor drei, vier Jahren, fuhren ganze Kolonnen von Kleinlastern mit meist osteuropäischen Kennzeichen durch die Stadtbezirke der Landeshauptstadt und räumten die Trottoirs leer. Manche Stücke wechselten direkt von Keller oder Bühne auf die Ladefläche eines gerade noch verkehrstauglichen VW-Transporters. Die Müllmänner, die tagsdrauf anrückten hatten meist gar nicht mehr viel zu tun, denn das meiste war bereits außer Landes gebracht.
Ich hatte mich eigentlich immer gefreut, wenn ein alter Tisch oder ein defekter Rasenmäher doch noch einen glücklichen Abnehmer fand. Dennoch schaffte die Stadtverwaltung diese Art des Sperrmüll-Events ab und wechselte zur – wie ich finde – arg langweiligen Variante mit Postkarte wegschicken, Termin vereinbaren, festgelegte Müllstücke abholen lassen.
Mit diesem Wechsel einher ging die Einrichtung einer Online-Plattform, des Verschenkmarkts. Das Prinzip ist einfach: Ich hab was, was ich nicht mehr brauche, ein anderer aber vielleicht schon – also inseriere ich es und schnell findet sich ein Privatmann, der das Ding bei mir abholt. Ich bin inzwischen ein recht aktiver Anbieter und freue mich, dass ich auf diese Weise mein Heim etwas leeren und gleichzeitig gute Werke verrichten kann. Den Anfang machte eine Balkontrennwand, die schon nach einem Tag einen Abnehmer fand, der dann auch gleich mithilfe eines geliehenen Anhänger das gute Stück abholte (mir schleierhaft, was er damit anfangen würde – Hauptsache weg!). Von diesem Vertriebserfolg motiviert, ging’s weiter: Ein älterer Ikea-Futon, den uns unsere amerikanischen Nachbarn bei deren Rückkehr in die Staaten überließen, ging nach Stuttgart-West; ein Ikea-Kleiderschrank PAX (sagenhafte drei Mal auf- und abgebaut und daher in entsprechendem Zustand), hätte mehr als ein Dutzend Abnehmer gefunden, sodass ich das Inserat nach 2 Tagen löschen musste; ein Konvolut älterer Terracotta-Übertöpfe war dank überzeugendem Foto nach acht Stunden einem Interessenten in Plochingen versprochen. Sympra wurde binnen eines Tages 2 uralte PCs, 1 defekter Drucker, 1 IT-Überraschungspaket an drei Personen los, zudem ein fünfbändiges rororo-EDV-Lexikon von 1990.
Meinen letzten drei Inserate auf der Plattform: eine ganz ordentliche Badzimmerlampe mit leichter Korrosion (Inserat war keine zwei Stunden online), ein mundgeblasenes und handbemaltes Tequila-Gläserset auf Edelholztablett mit Metallapplikationen (um das tat’s mir irgendwie leid) und eine Wetterstation mit Mahagonisockel, aber mit defektem Barometer. Letzteres fand schnell einen sehr anhänglichen Fan, der sein Interesse an dem guten Stück mehrfach über verschiedene Kommunikationskanäle kundtat.
Ich halte die Web-Plattform, die es auch in einigen anderen Städten gibt, für eine prima Institution, die nicht nur hilft, Müll zu vermeiden, sondern auch Bedürftige zu unterstützen. Dies wird zum Beispiel sichtbar bei den „Suche“-Inseraten, die zuweilen interessante Einblicke in die Sozialstrukturen von Stuttgart geben. Und der eine oder andere Interessent kann ein Schnäppchen machen, wie Herr B. aus Stuttgart-Ost, der sich über meinen kaputten Scanner-Drucker gefreut hat und mich wissen ließ, dass er nach vier Stunden Tüfteln das Ding wieder zum Laufen gekriegt hat. Na also!
Die Plattform Verschenkmarkt ist übrigens ein Produkt, das Kommunen in ihre Webauftritte einbauen können. Der Anbieter abfallberatung.de bietet es nach dem Application-Service-Providing-Modell (ASP) zur Miete an.
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