Willkommen zur größten re:publica aller Zeiten. 4.000 Teilnehmer, acht Bühnen, gefühlte 150 Sessions an drei Tagen. Was vor elf Jahren als Blogger-Event begann, ist an der Wurzel der (Kommunikations-)Gesellschaft angelangt. Die großen Themen der rp12 spiegeln auf weiten Strecken die Diskussionen der allgemeinen Öffentlichkeit um das Internet wider: Wie gelingen Open Innovation, Social Collaboration und Crowd-x für eine bessere Wirtschaft / Gesellschaft / Umwelt / …? Wie lässt sich der Erkenntnisfortschritt, der durch professionell oder leidenschaftlich geführte Blogs in vielen Bereichen bereits besteht, auch in anderen Feldern initiieren und nutzen (Finanzwirtschaft und Wissenschaft seien als Beispiel genannt)? Und (natürlich, möchte man fast sagen) wie lassen sich bestehende rechtliche Regelungen so aktualisieren, dass sie der zunehmend web-basierten Gesellschaft gerecht werden (Stichworte ACTA und Leistungsschutzrecht)? Kurz: Es geht um die riesigen Potenziale, aus denen die modernen Gesellschaften durch das Social Web schöpfen können – und um seine Grenzen und Risiken.
Viel Stoff also für drei Tage. Und die große Qual der Wahl zwischen teils hochkarätig besetzten, teils einfach nur interessanten Sessions. Im x-ten Brüten über dem Veranstaltungsprogramm ist es mir schließlich gelungen, zumindest schon einmal für den ersten Tag meinen roten Faden zu entwickeln: die Wissenschaft im Zeitalter der neuen digitalen Möglichkeiten.
Wissenschafts-Blogging: Chance für wachsende gesellschaftliche Wertschätzung
Um es kurz zu machen: Die Wissenschaft in Deutschland kann von Facebook, Twitter und (derzeit) vor allem Blogs profitieren. Die direkte digitale Interaktion mit der Wissenschafts-Community und der interessierten Öffentlichkeit stärkt den Dialog der Forscher untereinander und hilft zugleich, einerseits das weit verbreitete Bild des leicht skurrilen Genies der Wirklichkeit anzugleichen und andererseits die Menschen für die eigenen Themen zu begeistern. Nur: Derzeit nutzen Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen die neuen Möglichkeiten kaum.
Wie es gehen kann, zeigt das Göttinger Institut für Demokratieforschung: Hier bloggen rund 40 Institutsmitglieder über aktuelle Forschungsthemen. So bringen sie der Öffentlichkeit den eigenen Arbeitsalltag näher und lassen sie zugleich am Wissen der Forscher teilhaben. „Zudem“, ergänzt Daniela Kallnich, die zum redaktionellen Kernteam gehört, „sichern wir auf diesem Weg den Wissensaustausch untereinander.“ Ein Beispiel für wissenschaftliches Bloggen außerhalb von Institutsstrukturen stellt das Blog „Governance across borders“ dar. Eine Gruppe von aktuellen und früheren Mitgliedern des Max-Planck-Instituts in Köln präsentiert hier Ansichten und Thesen rund um Organisationsforschung.
Open Science: Querdenken durch neue Perspektiven
Neben dem Bloggen zu wissenschaftlichen Themen gibt es derzeit eine Strömung, die Nicht-Wissenschaftler bewusst als Impulsgeber in Forschung und Lehre einbezieht. Das Projekt Hackademia beispielsweise bindet Non-Experts in die Entwicklung elektronischer Systeme ein – und hofft, durch ihren unverstellten Blick zu disruptiven Technologien und Lösungen zu kommen. Die Universität Frankfurt dagegen brachte Studierende 2011 im Rahmen eines MOOC (Massive Open Online Course) mit wissbegierigen Laien zusammen – ein für alle Seiten disruptives Erlebnis, wie Monika E. König schilderte, die als Mittler zwischen angehenden Wissenschaftlern und Non-Experts fungierte. Mehr zum Projekt hier.
Fazit: Viele Möglichkeiten – aber auch viele Vorbehalte
Das thematische Spektrum der Web2.0-Begleitung von Wissenschaft und Forschung ist heute schon sehr breit. Der große Durchbruch steht aber noch bevor. Zu stark sind bislang noch die Vorbehalte, die den neuen Möglichkeiten innerhalb der Wissenschafts-Community entgegengebracht werden. Sie reichen von der mangelnden Akzeptanz wissenschaftlicher Blog-Beiträge durch forschungsfinanzierende Institutionen bis hin zu Mentalitäts-bedingten Hürden. „Wir brauchen eine Kultur, in der Wissenschaftler im Rahmen ihrer Forschung auch einmal scheitern dürfen“, bewertet Volkmar Langer, Präsident der TU Braunschweig. Also, liebe Forscher, mehr Mut! Es lohnt sich.
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