Vor zwei Tagen übertrug ich zum ersten Mal ein Livevideo vom iPhone ins Web: Wer wollte, konnte zehn Minuten lang den Blick aus meinem Bürofenster bzw. auf einen stattlichen Philodendron mit mir teilen. Tatsächlich hatte ich mit dem Chef einer befreundeten Agenturgruppe auch gleich meinen ersten – weiß nicht, wie es offiziell heißt: Fan? Follower? Freund?
An diesem Tag poppten die ersten Meldungen über Meerkat in meinen Timelines auf. Dabei handelt es sich um einen Livevideodienst, der über eine App für iOS aktivierbar ist und mit dem man sehr einfach Livevideos vom Smartphone übertragen kann. Innerhalb von weniger als zwei Wochen sollen ihn bereits mehr als 120.000 Nutzer ausprobiert haben. Ich probiere es gleich aus. Die Übertragung starte ich mit einem Klick, gleichzeitig geht ein Link zum Livestream (#meerkat) an meine Twitter-Abonnenten: „@veit64: [LIVE NOW] #meerkat …“ Wer dann den Link im Tweet anklickt, landet in meinem Livevideostream; ich sehe, wer das Video gerade anschaut.
Während Videos ja schon seit langem in die sozialen Netze eingespeist und dort geteilt werden können, sind Livevideos etwas Neues. Vielleicht tatsächlich die Neuerfindung des Social Webs, wie es der Meerkat-Gründer Ben Rubin bei der Präsentation seines Dienstes angekündigt hat? Ich frage mich, wer dieses Format braucht, und mache mich auf die Recherche, indem ich willkürlich die URLs in Tweets mit dem entsprechenden Hashtag anklicke. Ich lande zunächst in Fort Lauderdale, wo ein Zuschauer vom Straßenrand eine St. Patrick’s Day Parade filmt. Danach wieder in den USA bei einer Dame, die minutenlang eine Katze streichelt, was etwas langweilt. Nächster Klick: wieder ein Patrick’s-Umzug, diesmal in Springfield; ein Straßenmusikant spielt bravourös auf seiner Mundharmonika, der Kameramann geht mit seinen Freunden in einen Irish Pub, das Bild ist jetzt ein wenig verwackelt… Interessanter ist das nächste Video, live aus einer Session der SXSW in Austin, leider aus der vierten Reihe gestreamt und daher nicht von allerbester Bild- und Tonqualität. Ein Ted aus Columbia isst mit seiner Frau Müsli in der Küche und unterhält sich über Lokalpolitik. Ständig werden mir neue Tweets mit dem Hinweis auf Liveübertragungen angezeigt – ich habe den Eindruck, dass die Nutzerzahl von 120.000 längst überschritten sein muss.
Livevideos dürften tatsächlich den nächsten großen Hype im Web auslösen. So wie bereits visuelle Plattformen wie Pinterest oder Instagram fester Bestandteil der 2.0-Kommunikation sind, so bieten Echtzeit-Videos ein großes Potenzial. Jugendliche fahren schon heute auf YouNow ab, wo sie sich vor Hinz und Kunz live zeigen und mit ihnen chatten oder wo sie während dem Unterricht live aus dem Klassenzimmer übertragen; eine ziemlich gruselige Plattform, die wieder einmal deutlich macht, dass sich viele Nutzer arg sorglos im Web bewegen. Twitter selbst hat soeben mit Periscope den Betreiber einer Videoplattform übernommen.
Für Meerkat kann ich mir, neben der privaten Nutzung („Schaut mal meinen schnarchenden Mops an.“), interessante professionelle Einsatzszenarien vorstellen. „Breaking News“ kommen jetzt als Bewegtbilder. Veranstaltungen lassen sich mit geringstem Aufwand ins Web verlängern, die Twitter-Community kann einem Vortrag lauschen oder an einer Betriebsführung teilnehmen, Videosprechstunden sind möglich. Livevideos sind definitiv ein Format, das in PR-Konzepten Einzug halten wird. Für die Vortragsveranstaltung eines Sympra-Kunden ist Meerkat bereits gesetzt.
Bei Sympra werden wir via Meerkat demnächst immer wieder mal über Branchentrends sprechen und durch die nächste Ausstellung in der Stafflenbergstraße mit Werken von Stefan Wieland führen. Wann das sein wird, erfährt man über Twitter. Ein Grund mehr, dort @sympra zu folgen.
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