IT-Security: Kapitulation vor Internetkriminellen? Studie beschreibt düsteres Zukunftsszenario

Zukunft des Internet: Zugewachsen und zugemauert oder?
Zukunft des Internet: Zugewachsen und zugemauert?

Zukunftsstudien machen sich immer gut. Man kann mit ein paar Grundthesen im Gepäck, die zukünftige Welt so erklären, dass es einem gut ins Konzept passt. Besonders beliebt sind heutzutage Studien zur Geburtenentwicklung, die vermeintliche Rückschlüsse auf die Rente im Jahr 2050 zulassen, oder solche zum Energieverbrauch, die die vermeintliche Notwendigkeit neuer Kernkraftwerke belegen. Verschwiegen wird dabei meist, dass die Voraussagen nur eintreten, wenn die Grundannahmen richtig sind und nicht durch unvorhergesehene Ereignisse in der Zukunft über den Haufen geworfen werden.

Valider sind Studien, die mehrere Entwicklungsvarianten berücksichtigen. Eine solche hat Cisco jetzt zusammen mit dem Monitor Group Business Network zur Zukunft des Internets bis zum Jahr 2025 veröffentlicht. Vier Szenarien beschreiben mögliche Richtungen, in die sich das Internet entwickeln kann, basierend auf über einem Jahr Forschung, Datenerhebungen und Interviews. Sie zeigen auf, wie eine Reihe kritischer Faktoren wie Regelungen zur Netzneutralität, Investitionen in die Infrastruktur, Reaktionen der Konsumenten auf neue Preismodelle und Technologieakzeptanz sich auswirken könnten. Eines der Szenarien zeichnet eine vergleichsweise rosige Zukunft ungebremsten Wachstums mit neuen Produkten und Services und einer intensiven Nutzung des Internet. Die drei anderen richten ihr Augenmerk auf die Untiefen, Fallstricke und Gefahren, denen sich Unternehmensführer und politisch Gestaltende ausgesetzt sehen könnten.

Cisco identifizierte insgesamt 14 Hauptfaktoren, die ökonomische, soziale, politische und technologische Entwicklungen charakterisieren und fasste sie, um die Prognosen greifbar und durchaus auch provokant zu gestalten, in drei „Achsen der Unsicherheit“ zusammen. Die erste Achse variiert die Einschätzungen zur Frage, ob es weltweit zu einem extensiven Breitbandausbau als Ergebnis der kombinierten öffentlichen und privaten Investitionen kommt – oder zu einem sehr begrenzten? Die zweite Achse orientiert sich an der Frage, ob der technologische Fortschritt mehr inkrementell oder sprunghaft voranschreitet? In der dritten Achse geht es darum, ob Anwender weiter ungezügelt nach immer mehr und umfangreicheren Internetanwendungen verlangen oder ob es hier vermehrt zu Einschränkungen und Zurückhaltung kommt.

Besonders interessant aus dem Blickwinkel der IT-Sicherheit ist das Szenario „Insecure Growth“. Hier zeichnet der Netzwerkspezialist eine (Internet-) Zukunft, die fest im Griff von Internetkriminellen ist. Aus diesem Grund sei das Internet auch nicht die Handelsplattform geworden bzw. geblieben, wie sie sich Organisationen weltweit und zwar bis in die entlegensten Ecken gewünscht hätten. Regierungen und Organisationen sind überfordert angesichts der allgegenwärtigen Internet-Kriminalität. Software-Downloads von Update oder iPhone-Apps oder elektronischer Aktienhandel über das offene Internet sind zu gefährlich geworden und werden daher nicht mehr praktiziert. Das Internet wird zwar schon noch geschäftlich genutzt, aber nur in aufwändig gesicherten Bereichen für die extra bezahlt wird. „”Combating cyber-crime has become a continuous, high-cost low return endeavor, much like the old war on drugs.“

Gründe für diese pessimistische Prognose sehen die Autoren darin, dass zu viele Menschen über einen längeren Zeitraum zu sorglos im Internet unterwegs waren und nicht bemerkten, dass an allen Ecken und Enden Internetbetrüger, Kriminelle und zugange waren, Rechner anzapften und sich organisierten. Dabei entwickelten sie so raffinierte und komplexe Angriffsmethoden, denen die Sicherheitsprogramme nicht mehr gewachsen waren.

Sicherlich soll ein solches Szenario primär aufrütteln und warnen. Und sicherlich sind wir derzeit auch noch weit davon entfernt, dass Internetkriminalität ganz generell nicht effektiv bekämpft werden kann. Noch handelt es sich nur um ein Zukunftsszenario. Dennoch zeigen die jüngsten Äußerungen des Präsidenten des Bundeskriminalamts Ziercke, dass die Bedrohung schon heute sehr ernst genommen werden muss. Ihm zufolge gehen 60 Prozent aller Ermittlungen gegen Internetkriminalität ins Leere. Für 2010 sei ihm zufolge allein durch Betrug bei Banktätigkeiten in Internet hierzulande mit einem Schaden von 17 Millionen Euro zu rechnen. Das BKA und der Branchenverband BITKOM erwarten zudem circa 5.000 angezeigte Fälle von Phishing, was einer Zunahme von 71 Prozent entspräche. (Das sind absolut gesehen geringe Summen, aber die Dunkelziffer ist in beiden Fällen groß.) Immerhin: Unbeschwert und naiv geht die große Mehrheit der Deutschen nicht mit dem Internet um, wie eine vom BITKOM vorgestellte Studie aufzeigt. Drei Viertel aller Menschen, die hierzulande das Internet nutzen, fühlen sich bedroht, und jeder Fünfte verzichtet deswegen auf Online-Shopping.

Es besteht also Grund zur Hoffnung. Denn eine gesunde Skepsis ist die sicherste Medizin gegen Internetbetrug.

Über den Verfasser

Arno Laxy ist Senior Consultant bei Sympra und Leiter des Büros München. Als PR-Referent beschäftigt er sich vor allem mit Kommunikationsarbeit in der ITK-Branche.

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