Heute vor 20 Jahren … Memonet

Screenshot von der Memonet-Benutzeroberfläche. (Screenshots waren damals abfotografierte Monitorihalte.)
Screenshot von der Memonet-Benutzeroberfläche. (Screenshots waren damals abfotografierte Monitorinhalte.)

11. April 1992, 10 Uhr, Stuttgart-Weilimdorf. Ich habe einen Recherchetermin bei Alcatel Network Services Deutschland, einer Tochter unseres Kunden Alcatel (jetzt: Alcatel-Lucent Deutschland), die sich mit dem Aufbau und dem Betrieb des konzerneigenen, weltweiten Kommunikationsnetzes befasst. Thema ist „Memonet“, eine Softwarelösung, die künftig ganz nützlich sein sollte. Wenn in großen Unternehmen in den Achtziger und frühen Neunziger Jahren von „EDV“ die Rede ist, dann steht sehr oft ein großer IBM-Mainframe-Rechner im Keller, an den viele Hundert oder Tausend Terminals angeschlossen sind. Über die Terminals erfolgt die Eingabe von Daten, die der Großrechner verarbeitet; die Ergebnisse erscheinen Sekunden oder Minuten später Grün auf Schwarz an den Arbeitsplätzen. Als Besonderheit gibt es die Möglichkeit, von einem Arbeitsplatz zum anderen ein kleine Textbotschaft zu versenden. Die liegt dann in einer sogenannten Mailbox zum Abholen bereit. In einigen Unternehmen wird diese Art der Kommunikation eifrig genutzt; in anderen bleiben Botschaften zuweilen wochenlang ungelesen im Briefkasten. Die schwedische Software Memonet kann nun etwas ganz Besonderes, nämlich die Memo-Systeme einzelner Unternehmen miteinander verbinden. Nun kann also z. B. der Mitarbeiter von BASF seinem Kollegen von Volvo eine Nachricht senden, von einem Unternehmensnetz ins andere – eine echte Sensation!

Beim Briefing geht’s um Standards und Übertragungstechnologien, um notwendige Hard- und Software und ob Memonet vielleicht ein Produkt ist, mit dem richtig Geld verdienen kann. Mein Ansprechpartner sieht, weit hinten am Horizont, durchaus einen technischen Ansatz, der eines Tages den Brief und das Telefonieren ersetzen kann. Noch heute habe ich Begriffe wie „zeitversetztes Beantworten von Anfragen“ oder „rund um die Uhr erreichbar“ im Ohr. Zugegeben: Der Gedanke, dringende Fragen schriftlich (!) beantworten zu müssen, ist damals ungewohnt. Und genauso abstrus die Vorstellung, dass man sich von einem tragbaren PC aus via Akustikkoppler in seine Mailbox einwählen kann, um Memos von unterwegs aus zu bearbeiten.

Der ganz große Durchbruch gelang Memonet meines Wissens nicht. Zumindest muss man arg intensiv googlen, um überhaupt auf das Produkt zu stoßen Aber natürlich war es eine der ersten Technologien in Richtung Mail.

Übrigens: Viele IBM-Mitarbeiter sprechen noch heute von “Memos”, wenn sie “Mails” meinen.

Über den Verfasser

Veit Mathauer ist einer der beiden Geschäftsführer von Sympra. Wirtschaftswissenschaftler, Journalist, PR-Mensch, Boardmitglied im internationalen Public Relations Network (PRN) und Blogger. Ansonsten auch in den einschlägigen sozialen Netzwerken zu finden.

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