Heute vor 20 Jahren… Die Kommunikation

 

15. Mai 1992.

Ich bin 13 und auf dem Weg zur Schule. Das einzige elektronische Device, das ich bei mir trage, ist ein Sony-Walkman. Ja, so einer der mir die Levi’s Jeansjacke schön runterzieht, weil der ja auch noch ein integriertes Radio hat und gefühlte 10 kg wiegt. Haltungsschaden inbegriffen, doch nicht nur vom Walkman, sondern auch von meiner Schultasche. Unglaublich, wie viele Bücher, Hefte und Stifte ich mit mir rumschleppen muss. Unterwegs hole ich meine Freundin Tanja ab, denn wir laufen immer gemeinsam zur Schule. Sie gibt mir ein kleines Heftchen (getarnt als Hausaufgabenheft) zurück, in das wir uns immer gegenseitig reinschreiben, was wir so den vergangenen Nachmittag über gemacht und gedacht haben. Eine Art Tagebuch also, voller Teenagersorgen und -nöte. Ich hatte es ihr gestern gegeben, sie hat es gelesen und mir jetzt zurückgegeben. Ich bin schon gespannt, was sie reingeschrieben hat. Aber wir haben ein Ritual daraus gemacht, dass wir es erst nach der Schule daheim lesen, also muss ich wohl abwarten.

Die einzige Möglichkeit, den Schultag zu überstehen, ist sich gegenseitig Zettelchen zu schreiben und auf zu passen, dass es die Lehrer nicht merken. Zum Glück ist heute Freitag und das Wochenende in Sicht. Nach der Schule bringen Tanja und ich etwa eine halbe Stunde damit zu, unser nächstes Telefonat zu besprechen, bevor wir uns verabschieden. Kurz vor drei geh ich dann zur Telefonzelle, zücke meine Telefonkarte und rufe Tanja an. Die Telefonkarte muss ich nutzen, weil meine Eltern fast einen Herzinfarkt bekommen haben, als sie die letzte Telefonrechnung gesehen haben. Und außerdem ist dann ja immer die Telefonleitung belegt, wenn wir stundenlang telefonieren. Kurz drauf klingle ich bei Tanja an der Tür. Wir treffen uns lieber bei ihr, denn sie kann 1. ihr Zimmer abschließen (wichtig, wenn man jüngere Geschwister hat!) und 2. hat sie nen Fernseher drin (wichtig, weil dann kann man MTV kucken!) stehen.

 

 

15.05.2012.

Der Sony-Walkman funktioniert immer noch und liegt in irgendeiner Kiste. Mit meinen Eltern hatte ich den Deal, dass ich erst dann einen Diskman kriege, wenn der Walkman kaputt ist. Tja, blöd gelaufen: Den Diskman habe ich mir dann selbst gekauft.
Bevor ich heute das Haus verlasse, schau ich erst mal auf meinem Smartphone, was es so Neues bei Facebook gibt. Tanja hat ein Bild gepostet, das muss ich gleich mal liken. Ich schicke ihr noch schnell eine WhatsApp-Nachricht und frage nach, wie das Wochenende war. Die Kommunikation ist zwar nicht mehr so rege wie früher, aber trotzdem sind wir beide gegenseitig gut informiert, was die andere so tut. Wir kommentieren das jetzt zwar nicht mehr in einer Extra-Spalte in dem Heftchen, sondern tun das mehr oder weniger öffentlich auf Facebook.

Für einige Kunden betreue ich das Twitter-Konto mit und stelle fest: Eigentlich ähnelt das ja ganz schön unserem Zettelchen-Schreiben in der Schule. Da wussten wir auch nicht, wer das jetzt beim Durchreichen noch liest. Die Zeichen waren auch recht begrenzt, nur weiterführende Links konnten wir nicht setzen. 🙂

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Kommentare zu diesem Post

Michael Krause

Sehr schöner Artikel der zeigt, wie sich auch die Online-Marketinglandschaft weg vom Präsentieren hin zum Kommunizieren bewegt. Firmen, die das verstehen, werden auch zukünftig Aufmerksamkeit erregen (siehe auch mein Artikel hierzu http://www.onchestra.com/blog/p/internet-online-kundenkommunikation-nutzen-beispiele) Was mich noch interessieren würde: gibt es etwas, das damals dem heutigen Medium "Blog" entsprach? Denn ohne dieses (in diesem Fall Sympra-)Blog hätte ich Deine "Geschichte", auf welche ich über Facebook aufmerksam wurde, nie gefunden :-) Schöne, neue, vernetzte Welt! Viele Grüße aus Echterdingen, Michael

Claudia Mutschlechner

 Danke für Deinen Kommentar, Michael. Mir fällt jetzt nix ein, was damals einem Blog entsprach. Das kleine Heftchen war ja quasi unser Blog, es kam manchmal schon vor, dass wir es noch einer anderen Freundin zum Lesen gegeben haben, wenn man nicht alles nacherzählen wollte. Hat sonst noch jemand ne Idee? :-)

Michael Krause

Das Interessante ist, glaube ich, dass genau diese 1zuN-Kommunikation bisher nicht stattfinden konnte. 1zu1-Kommunikation gibt es schon lange - Du listest zahlreiche schöne Beispiele der Vergangenheit auf. Hier ändert sich "nur" das Vehikel, die Art an sich bleibt die Gleich. 1zuN-, wozu neben Blogs sicher auch Fanseiten auf Facebook oder Newsletter zählen, wurde erst im Internet-Zeitalter möglich/realistisch abbildbar.

veit64

Ich war kurz nach der Wende 1990 in Dresden und übernachtete mit ein paar Freunde in einer Plattenbauwohnung in Dresden-Gorbitz. Der Besitzer war "auf Arbeit im Westen" und überließ uns seine 2-Raum-Wohnung fürs Wochenende. DDR-typisch hatte er kein Telefon, wohl aber eine Freundin, die immer wieder in seiner Wohnung wohnte, die aber eine andere Schicht hatte als er. Die beiden kommunizierten über ein kleines Buch, in dem sie täglich die Nachrichten füreinander niederschrieben, die man heutzutage auf einer Mailbox hinterlassen - oder eben mailen - würden. Es entsprach zwar auch schon damals nicht dem Datenschutz, dass wir ein paar Seiten darin lasen, aber es vermittelte ein sehr direktes Bild von der Kommunikation und dem Leben in der DDR. Das Büchle war eigentlich ein Beziehungsroman und ich hoffe, es hat die Nachwendezeit (und auch die Beziehung der beiden) überdauert.