Desinformationsangriffe: Nicht nur in der Politik ein Problem

Wie sind Desinformationen verpackt? Wer hat Interesse daran, sie zu verbreiten? Und: Wer glaubt am Ende daran?

Aus dem politischen Raum kennen wir längst die verheerenden Auswirkungen von „Fake News“ – rund um den Brexit, aus der Amtszeit von Donald Trump und während der Corona-Pandemie sind nur ein paar der bekanntesten Beispiele. Als ich 2016 auf einem Schüleraustausch im konservativen Missouri war, fand ich mich mitten im köchelnden Höhepunkt des Wahlkampfs zwischen Hillary und Donald wieder. Ich erlebte vor Ort das erste Mal bewusst – und in einem mir zuvor unbekannten Ausmaß – wie viel Einfluss falsche und schädigende Informationen haben können. Seitdem interessiert mich, wie sich Desinformationen verbreiten und was sie so verheerend macht; und das nicht nur in der Politik.

Denn auch Unternehmen sind vor Desinformationsoffensiven nicht sicher, sie können wegen ihnen sogar über Nacht in den Ruin getrieben werden. Uwe Wolff ist Kommunikationsberater und einer der Ersten, der sich intensiv mit Desinformationsangriffen in der deutschen Wirtschaft auseinandergesetzt hat. Bei der DPRG-Veranstaltung* „Desinformationsangriffe auf Unternehmen – und wie man sie bekämpft“ berichtete er, wie schwierig es war, Recherchen für sein Buch durchzuführen und Fälle zu sammeln, denn es wird viel zu wenig über Attacken gesprochen. Deshalb ging er mit Opfern in den Dialog, um mehr über Desinformationskampagnen im wirtschaftlichen Sektor herauszufinden. Seine Recherche zeigt: Um die Medien zu täuschen, braucht es nicht sonderlich viel. Eine gute Story, passende Bilder und eine dünne Linie an Plausibilität reichen aus, um flächendeckende Berichterstattungen auszulösen.

Soziale Medien und Künstliche Intelligenz befeuern das Potenzial für vermehrte und immer schädlichere Attacken nur noch weiter. Die Gatekeeper-Funktion der Medien sei dahin, betonte Wolff immer wieder. Dabei stünden „klassische Medien“ im Gegensatz zu Sozialen Netzwerken, auf denen Posts schnell geteilt sind und auch dann viel Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie aus inoffiziellen und nicht überprüften Quellen kommen. Auch abseits der üblichen Plattformen ist die Gefahr groß: Im Darknet bieten Desinformatoren ihre Dienste bereits ab 700 Euro an – das reicht im Zweifelsfall aus, um beispielsweise staatliche Akteure ins Abseits zu manövrieren. Mögliche Täter sind verärgerte Ex-Mitarbeiter, Wettbewerber oder sogar NGOs. Uwe Wolff beschrieb die Lage als „asymmetrischen Krieg“, denn herauszufinden, wer die Informationen gestreut hat, ist sehr schwierig und teuer. KI-Produkte wie Deepfakes machen es den Angreifern nur leichter, vermeintliche Beweisvideos zu erstellen und mit Bots und Fake-Accounts in den Umlauf zu bringen. Es sei nicht absehbar, wie stark die Anzahl solcher Offensiven in Zukunft mithilfe von KI wachsen wird, warnte Wolff.

Was kann man also tun, um sich zu schützen? Natürlich hilft es, einen Notfallplan zu haben, ähnlich wie für Cyberangriffe. Eine gute Vorbereitung ist essenziell, um im Fall der Fälle einen kühlen Kopf zu bewahren und die richtigen Schritte einzuleiten. Mit das Effektivste ist es, die Attacke offen anzusprechen, und das schnell – Zeit für anwaltlichen Diskurs gibt es im Ernstfall oft erst einmal nicht, so Wolff. Wenn Unternehmen auf den Sozialen Medien schnellstmöglich offenlegen, was geschehen ist und die richtigen Informationen teilen, kann das jedoch den Worst Case abwenden und Parteien wie Share- und Stakeholder beschwichtigen. Zusätzlich ist es wichtig, neutralisierende „Gegeninformationen“ im Internet zu verankern, so werden sie auch im Nachhinein wieder gefunden.

Die Frage, wer überhaupt auf Desinformationen hereinfällt, ist leider leicht beantwortet: sehr wahrscheinlich wir alle. Wie viele von uns haben nicht hinterfragt, ob die Bettwanzenplage in Paris ein echtes Problem ist, und vielleicht auch den ein oder anderen Meme dazu verschickt? Dass die Plage mutmaßlich eine russische Propagandaoffensive war, um Misstrauen in Paris als Olympia-Stadt zu schüren, das haben die wenigsten von uns mitbekommen. Brisante Geschichten sind nun einmal interessanter und schneller geteilt als ernüchternde Klarstellungen.

 

*Den Vortrag mit Uwe Wolff hat Sympra-Geschäftsführer Veit Mathauer organisiert, der Vorsitzender der DPRG-Landesgruppe Baden-Württemberg ist.

Über die Verfasserin

Sophie Tutzschke studierte Romanistik und Anglistik, arbeitete beim SimTech, einem Exzellenzcluster für Simulationstechnologie an der Universität Stuttgart, und ist seit September 2023 Trainee bei Sympra.

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