Besuch auf der IFFA: Endlich wieder Messe!

Endlich wieder Messe! Menschen – live und vor Ort – im Gespräch, geschäftige Betriebsamkeit in den Hallen, Vorträge auf echten, nicht auf virtuellen Bühnen und natürlich all die Maschinen, Anlagen und Komponenten, auf Hochglanz poliert und zur Schau gestellt. Zwei Jahre lang war die Messebranche mehr oder weniger kaltgestellt, jetzt feiert sie ihr Comeback und es ist fast so, als sei nichts geschehen.

Echte Erlebnisse statt virtueller Eintönigkeit. Schon auf der Anfahrt zur IFFA, der Weltleitmesse der fleischverarbeitenden Industrie, habe ich meine erste reale Begegnung. Ein Spanier, Diego Siles, Export Manager aus Sevilla, redet in der S-Bahn auf mich ein. Er sei von der Fisch- in die Fleischindustrie gewechselt und suche jetzt dringend „Buyer“ für sein „porc“. Ob ich ihm wegen seines Schweinefleischs helfen könne? Eher nicht, sage ich und erkläre kurz, was man in der PR so macht – alles Mögliche, nur eben nicht Schweinefleisch einkaufen. Visitenkarten will Diego trotzdem tauschen, die Verabschiedung ist herzlich und endet mit einer innigen Umarmung. Umarmung? Na gut …

Wie weggepustet: zwei Jahre Corona-Auszeit

Die Branche hat zurzeit kein besonders gutes Image, zumindest nicht in Deutschland. Der eher unappetitliche Tönnies-Skandal, all das CO2, das durch die Tierhaltung und bei der Fleischproduktion selbst entsteht, dazu die noch immer vorherrschenden Plastikverpackungen – alles schlecht fürs Klima, vom Tierwohl mal ganz abgesehen. Aber in den Messehallen spielt das keine große Rolle. Man freut sich, hier und unter sich zu sein, die strahlenden Gesichter verraten es. Veranstalter, Aussteller, Besucher – alle sind froh, dass sie überhaupt wieder zusammenkommen können. Von Online-Events haben die meisten die Nase voll. Als Messeersatz, so die einhellige Meinung, taugen sie jedenfalls nicht.

Die Zahl der Aussteller ist fast so hoch wie vor drei Jahren, als die IFFA zuletzt stattfand. 860 Unternehmen aus 44 Ländern präsentieren sich in den Messehallen, und obgleich das riesige Gelände nur zu einem Viertel belegt ist, läuft man sich auf gut 100.000 Quadratmetern Hallenfläche die Hacken ab. Rund 50.000 Besucher:innen seien auf der IFFA gewesen, teilt die Messe Frankfurt später mit, 72 Prozent davon aus dem Ausland. Auch das kann sich sehen lassen, vor allem angesichts der Abwesenheit von Besucher:innen aus Russland und China, normalerweise zwei der besucherstärksten Länder.

Zentrale Themen auch hier: Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Im Auftrag der Messe Frankfurt haben wir einige Fachartikel für die IFFA geschrieben – und so einen sehr detaillierten Einblick erhalten in die wichtigsten Themen der Branche. Eines der Top-Themen: Nachhaltigkeit. Bis 2050 will die EU klimaneutral werden, das stellt auch die Fleischindustrie vor große Herausforderungen. Sie braucht Wärme zum Kochen, Dämpfen, Garen, zur Sterilisierung und zur Reinigung. Hinzu kommt jede Menge Wasser zur Reinigung und Desinfektion der Betriebsstätten – Wasser, das wiederum erhitzt werden muss. Die IFFA zeigt, wie Prozesse mit Blick auf das Energie- und Ressourcenmanagement optimiert werden können, zum Beispiel durch energieeffiziente Kälte- und Wärmepumpenlösungen.

Zweites Top-Thema: Digitalisierung: Im Vergleich zu anderen Branchen hinkt die Fleischindustrie zwar noch hinterher, was dem Umgang mit hochsensiblen Produkten geschuldet sein mag – aber auch sie ist auf dem Weg zur Smart Factory. Die intelligente Produktionsstätte ist hochgradig digitalisiert und vernetzt und arbeitet dank künstlicher Intelligenz (KI) weitgehend autonom. Auch Industrieroboter, wie sie aus der Automobil- oder Elektronikindustrie bekannt sind, halten Einzug in die Schlachthöfe. Sie können ohne Unterlass schneiden, verpacken, umhüllen, sortieren, aufnehmen und platzieren. Ganze Roboterzellen sollen künftig selbständig in verschiedenen Arbeitsschritten Schweinehälften verarbeiten, und zwar in möglichst vielen Arbeitsgängen auf einmal anstelle von kleinen Arbeitsgängen hintereinander. Das könnte das Ende der Linienproduktion sein.

Maßgeblich: Umweltschutz und Verbraucheranspruch

Ein ganz weites Feld ist das Thema Verpackung. Plastik hat bald ausgedient, soviel ist klar. Die Vorgaben der EU bzgl. Recycel- und Wiederverwertbarkeit verschärfen sich von Jahr zu Jahr, entsprechend rege ist die Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet. Materialeinsparung ist der einfachste Weg, um den Plastikanteil in Verpackungen zu reduzieren. Ein zehn Gramm leichter Schlauchbeutel genügt, um ein Kilogramm Hackfleisch zu transportieren. Anschließend landet der Beutel einfach im gelben Sack. Beim chemischen Recycling werden Altkunststoffe in Rohmaterialien wie Pyrolyseöl oder Synthesegas umgewandelt. Die zurückgewonnenen Materialien lassen sich dann wieder für die Herstellung von Folien nutzen. Im Kommen sind Verpackungen aus Monomaterialien, die aus reinen Polyolefinen bestehen, eine ebenso gute Schutzfunktion wie Mehrschichtfolien haben, aber leichter sortier- und recycelbar sind. Auch bereits auf dem Markt erhältlich: biologisch abbaubare Verpackungen, die auf Basis pflanzlicher Rohstoffe wie Zuckerrohr, Algen, Pilze, oder Milchsäure hergestellt werden und dieselben Hygiene- und Haltbarkeitsstandards haben wie Plastik.

Fleisch hat also eine Zukunft, nur wird es künftig umwelt- und ressourcenschonender produziert und verpackt werden. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich unsere Ernährungsgewohnheiten wandeln. Vor allem jüngere Leute wollen gesünder leben als ihre Eltern, sie achten außerdem mehr auf Umwelt- und Tierschutz und verzichten deshalb ganz bewusst auf Fleisch. Die IFFA hat den Trend erkannt und das Thema alternative Proteine ins Portfolio mit aufgenommen. Ob sie sich von einer Leitmesse für die Fleischverarbeitung zu einer Trendshow für vegane Ernährung entwickeln wird? Das werden wir vielleicht 2025 beim nächsten IFFA-Besuch sehen.

 

Bild 1: Messe Frankfurt GmbH / Jochen Günther
Bild 3: Messe Frankfurt GmbH / Pietro Sutera
Bild 4: Messe Frankfurt GmbH / Jochen Günther

Über den Verfasser

Johannes Manger ist Senior Consultant bei Sympra, betreut Kunden aus dem Technologiebereich und kümmert sich um den Ausbau des Baubereichs. Vor Sympra war Johannes Manger mehr als 20 Jahre lang bei der Messe München beschäftigt, zuletzt als Abteilungsleiter Bauwesen & Immobilien im Bereich Marcom. In dieser Funktion verantwortete er die Kommunikation für Messen wie die BAU, die bauma, die transport logistic und die EXPO REAL.

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