Aufruhr in den Pressestellen der Nation: Social Media ante portas! Manch Unternehmenskommunikator spürt zurzeit Druck gleich von mehreren Seiten. Seine Zielgruppen formieren sich im Social Web, verlagern ihre Aktivitäten dorthin; die Geschäftsführung meint, „man müsste da jetzt mal was tun …“; die Kollegen werden privat und individuell auf Facebook aktiv und laden ihre Urlaubsbilder auf Flickr hoch; der Wettbewerb ist bereits ins Web 2.0 eingestiegen; die klassischen Printmedien, jahrzehntelang Garanten für Veröffentlichungen, schwächeln; über das Unternehmen wird im Web längst diskutiert; und jetzt kommen auch noch die Fachabteilungen – HR, Marketing, Vertrieb – und einige Auslandstöchter und monieren, dass sie jetzt endlich 2.0-Plattformen nutzen wollen.
Dass diese Anforderungen in der Kommunikationsabteilung auflaufen, ist typisch: So richtig will sich niemand mit Web-2.0-Strategien beschäftigen, schon gar nicht Ressourcen für die Umsetzung freimachen – und irgendwie ist das ja auch Kommunikation, also Sache von denen, die im Unternehmen dafür zuständig sind.
In der Praxis führt dies oft dazu, so meine Erfahrung aus zahlreichen Beratungsprojekten, dass das Thema Social Media aufgrund mangelnder Ressourcen, aufgrund mangelnder Kenntnis oder aufgrund mangelnder Lust entweder auf die lange Bank oder auf den Schreibtisch des Werkstudenten geschoben werden.
Moment mal? Der Werkstudent als Verantwortlicher für den Unternehmensauftritt auf Plattformen mit Millionen Nutzern wie Facebook, Twitter und YouTube? Genau dies. Noch immer verkennen gestandene Kommunikationsprofis (alter Schule), dass ein Posting oder ein Tweet deutlich mehr Menschen erreichen kann als die Meldung in einem Fachmagazin. Von den Chancen strategisch angelegter Social Media Relations gar nicht zu reden.
Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssen daher einen Verantwortlichen für die Web-2.0-Aktivitäten engagieren, einen Chief Social Media Officer (CSMO). Darüber habe ich vor Kurzem auf der Informatik 2010 in Leipzig in einem Workshop unter Leitung von Prof. Dr. Karsten Wendland von der Hochschule Aalen mit Unternehmensvertretern und Beratern diskutiert. Gemeinsam haben wir ein Idealprofil für dieses neue Berufsbild entworfen.
Demnach hat der CSMO folgende Aufgaben:
- Erstellen einer Social-Media-Strategie
- Information der Geschäftsführung und der Mitarbeiter
- Erstellen der Social-Media-Guidelines
- „Entzaubern des Web 2.0“
- Auswahl geeigneter Plattformen, Aufbau von Communities
- Themenscouting, Aufbereiten von Themen und Formaten
- Social Media Relations
- Kreieren von Ideen
- Monitoring und Benchmarking der Social-Media-Aktivitäten
- Beraten der Geschäftsleitung und der Fachabteilungen
- Vorantreiben von Change 2.0 hin zum Enterprise 2.0
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Diesen Aufgaben kann er gerecht werden, wenn er mit allen relevanten Unternehmensbereichen gut vernetzt ist, sich formelle und informelle Netzwerke im Unternehmen aufgebaut hat, die Zielgruppen und die Prinzipien der Informationsrezeption kennt und Themen aufbereiten kann. Dies wiederum sind auch die klassischen Anforderungen an die Unternehmenskommunikatoren.
Daher liegt es nahe, den CSMO ebenfalls in der Unternehmenskommunikation anzusiedeln – allerdings mit umfangreicheren Befugnissen, als die, über die ein Pressesprecher in der Regel verfügt. Der CSMO steuert die gesamten Social Media Relations des Unternehmens, muss also auch den Fachabteilungen (HR, Vertrieb, Marketing usw.) weisungsbefugt sein. Er bestimmt die Strategie und die Leitlinien für die Web-2.0-Aktivitäten, die niemals partizipativ entstehen dürfen, wohl aber zur Partizipation in der Umsetzung motivieren sollen. Die IT-Abteilung versteht seine Anliegen, er die der IT-Abteilung (vielleicht eine der größten Herausforderungen in seinem Job!).
Gefragt ist also eine Führungspersönlichkeit, eine mit Berufs- und Lebenserfahrung, intern oder von extern rekrutiert – und social-media-affin!
Ist die Vorstellung, dass künftig der CSMO alle Social-Media-Aktivitäten im Unternehmen steuert, realistisch? Gibt es überhaupt Menschen, die dem Anforderungsprofil komplett entsprechen können? Oder sollte Social Media ganz klassisch der Unternehmenskommunikation als eine Disziplin untergeordnet werden? Ihre/Eure Meinung dazu interessiert mich!
PS. Die Präsentationen der Mitdiskutanten auf der Informatik 2010, Prof. Dr. Karsten Wendland, Dorina Gumm, Lutz Hirsch, Joachim Heinz und Franziska Hämmerle, gibt es zum Anschauen und Download auf Slideshare.net
Bild: CurvaBezier / iStockphoto
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