Zum Glück ist er nicht Dachdecker geworden!

Als ich Freunden und Kollegen erzähle, ich lese gerade das Buch von Raúl Krauthausen, sehen sie mich fragend an. Für mich war es absolut unverständlich, dass sie ihn nicht kennen. Also leiste ich Aufklärungsarbeit – „Der ist Berliner und in der Internet-Szene aktiv, hat das Portal „wheelmap.org“ mitgegründet, in dem man sehen kann, welche öffentlichen Orte barrierefrei sind.“ Weiterhin fragende Blicke. Gut, dann versuche ich es halt doch mal hiermit: „Er hat Glasknochenkrankheit und sitzt im Rollstuhl.“ In ihren Gesichtern macht sich langsam Erkennen breit. „Ist der auch manchmal im Fernsehen?“ – „Ja, er war zum Beispiel bei der Google Chrome Werbung zu sehen.“ – „Ah, und Aktion Sorgenkind Mensch, oder so?“ Wie man hier im Schwabenländle sagen würde: Langsam schnackelt’s auch bei Ihnen, gell?

leidmedien.de-beutelIch schau nicht sooo viel fern, daher wusste ich das mit der Werbung nicht. Aber ich bin online aktiv, und Raúl Krauthausen ist eben in der Szene sehr bekannt. Und ich beschäftige mich seit geraumer Zeit mit dem Schreiben über Behinderung. Zuerst für einen Kunden, der unter anderem Rollstuhlantriebe herstellt, dann für die Mund- und Fußmalenden Künstler. Und weil man ja politisch korrekt und ohne „auf Mitleid machen zu wollen” schreiben möchte, muss man da eben mal recherchieren, was für “No-Gos” es gibt und welche Alternativen man nutzen kann.  Da bin ich zuerst mal auf den Leitfaden von Annette Schwindt gestoßen und anschließend recht schnell auf Leidmedien.de, einem Projekt der Sozialhelden in Zusammenarbeit mit der Aktion Mensch, das Tipps für die Berichterstattung ohne Klischees gibt. Ohne viel zu recherchieren, hab ich schnell gemerkt, dass Raúl da überall seine Finger drin hat, die Szene kennt und sich selbst aktiv einsetzt.

Also habe ich ihn mal auf Facebook abonniert. Da las ich dann so Dinge wie das hier: Raúl Krauthausen fragt sich als Rollstuhlfahrer ernsthaft, wie es sein kann, dass sich seine Schuhschleifen im Laufe des Tages von alleine lösen können. (da musste ich sehr schmunzeln) oder ein Posting , dass ihm zum dritten Mal das Handy geklaut wurde (da war ich schockiert) oder eben, dass er ein Buch mit dem wunderbaren Titel “Dachdecker wollte ich eh nicht werden” geschrieben hat (da habe ich es gleich vorbestellt). Als ich es endlich hatte, ging es los: Schon beim Vorwort von Roger Willemsen war ich begeistert. Was für ein Mann! Also Raúl, nicht Roger. Ja, also Roger ist auch toll, aber Raúl ist einfach ein anderes Kaliber. Aber ich verzettle mich!

Das Buch ist keine klassische, chronologische Biografie, sondern im Prinzip sind es Kurzgeschichten, in denen Raúl von seinem Leben aus der Rollstuhlperspektive berichtet. Da sind Geschichten aus der Kindheit dabei, wie er bei den Bundesjugendspielen mitmachen musste (“Prima, drei Meter weit geworfen!”), Geschichten über sein Zurechtkommen “im Berliner Untergrund” mit Rollstuhl und dann natürlich die erste Geschichte, die so schön ist, dass ich fast heulen musste und sie daher hier kurz zusammenfassen möchte.

****SPOILERALERT****

In “Es ist noch Suppe da” beschreibt Raúl, wie er das Assessment-Center an der HPI-School of Design Thinking erlebt. An den zwei Tagen haben sie dort ganz schön abgefahrenes Zeug machen müssen. Unter anderem sollten die Teilnehmer daheim eine chinesische Tütensuppe analysieren: Wie ist das Verpackungsdesign? Wie riecht die Suppe? Wie fühlt sich das an? etc. Mithilfe seines Assistenten hat Raúl das auch alles hin bekommen. Als er am nächsten Tag dann aber wieder an der Uni ist, kündigt der Dozent an: “Wie eine asiatische Fertignudelsuppe zu goutieren ist, wisst ihr nun. Doch wie schmeckt eigentlich eine richtige chinesische Nudelsuppe? Das sollt ihr nun herausfinden.” Der Arbeitsauftrag lautet: Mit den Öffis zur Kantstraße fahren, in einem Laden die Fertigsuppe finden und kaufen und anschließend in einem Restaurant eine Nudelsuppe essen. Am Besten in dem Restaurant noch ein Foto von der Küche/dem Topf machen. PENTAX ImageIch denke: Puh, wie nervig. Raúl erkundigt sich: “Äh, eine Frage. Sind die beiden Orte rollstuhlgerecht?” Man weiß es nicht und man kann es auch nicht herausfinden. Shit, denke ich, jetzt kann er da nicht mitmachen. Aber seine Gruppenmitglieder beschließen, dass sie schon eine Lösung finden werden, und ziehen gemeinsam los. Auf dem Weg schwirren Raúls Gedanken nicht direkt um den Arbeitsauftrag, sondern um Stufen und fehlende Rampen. Und darum, dass sein Rollstuhl es komplizierter für die Gruppe macht und sie unnötig Zeit verlieren. Für den schweren E-Rolli ist schon eine Stufe ein unüberwindbares Hindernis – zumindest ohne Rampe. Raúls Bitten “Ihr könnt auch ohne mich rein…” werden vom Team abgeschmettert, und letztlich erhalten sie (mithilfe einer geliehenen Einkaufswagen-Rampe) Zugang zu einem kleinen Asia-Laden. Dort gibt es auch die Tütensuppe, alle sind glücklich. Jedoch muss jetzt ja noch ein barrierefreies Restaurant gefunden werden. Sie fragen bei der Asia-Shop-Besitzerin nach, die sie aber nicht so recht versteht. Als die Gruppe schon am Aufbrechen ist, sagt sie “Ihr wollt echte Nudelsuppe? Kommen Sie mit, kommen Sie mit.” Sie führt die Studenten in den hinteren Bereich des Ladens, wo eine Küche versteckt ist. Auf einem Gasherd brodelte Nudelsuppe, eine ältere Asiatin und ein sechsjähriger Junge sitzen an einem Tisch und sofort wird die Gruppe eingeladen, mitzuessen. Natürlich dürfen die Studenten auch Fotos von der Suppe machen. Beim Lesen wird mir warm ums Herz. Die Gruppe fährt zurück zur Uni und ist eine von drei Gruppen, die es bis in die Küche geschafft hatten.

Raúl schließt das Kapitel mit folgenden Worten: “Und in diesem Moment machte es klick. Meine Behinderung, die ich seit dem Ende meiner Kindheit nicht hatte annehmen wollen, die ich fast mein ganzes Leben lang versucht hatte zu überspielen und auszugleichen, genau sie war es, die Philipp, Charlotte, Malte, Markus und mir den Zugang in eine ganz eigene Welt verschaffte. Meine Behinderung war überhaupt kein Nachteil gewesen! Unfassbar kam mir das vor. Und es war so unfassbar, dass ich beschloss, sie anzunehmen und ab jetzt einfach Ich zu sein. Mit allem, was dazu gehört.”

****END OF SPOILERALERT****

Nach dieser ersten Geschichte habe ich das Buch regelrecht verschlungen! Es folgen Geschichten, die zeigen, wie er seine Behinderung akzeptiert. Geschichten, die zum Nachdenken anregen. Geschichten,  die mir Raúl ungewöhnlich nah bringen, obwohl wir uns nicht kennen, und ich danke ihm für die ehrlichen Einblicke in sein Leben. Ich empfehle jedem, das Buch zu lesen. Der ein oder andere wird Raúl vielleicht bei Markus Lanz gesehen haben, oder auf einer der Lesungen, die er gerade macht. Ich hoffe, ich werde ihn auch mal treffen, und bis dahin verfolge ich seine Aktivitäten auf den diversen Online-Präsenzen, die auf seiner Website  zu finden sind.

Ach, und Raúl, wenn Du das hier liest: ich freue mich auf einen zweiten Teil! Und bis dahin lese ich das Buch einfach nochmal.

 

 

Bildquellenangabe:

  • Raúl Krauthausen mit seinem Buch (mit freundlicher Genehmigung von Raúl – aus seinem Facebook-Profil)
  • Leidmedien-Beutel von www.leidmedien.de (Den Beutel gibt es im Sozialhelden-Spreadshirt-Shop zu kaufen)
  • Nudelsuppe: KFM  / pixelio.de

 

Social Media in Unternehmen

Unser Kunde Creditplus bloggt. Gemeinsam mit dem Dr. Klein Blog haben sie zu einer Blogparade aufgerufen, bei der wir natürlich auch gerne mitmachen. Thema ist: Social Media im Unternehmen – darauf kommt es an. Achtung: Das hier ist kein klassischer Beitrag á la “5 Schritte zur erfolgreichen Facebook-Seite”. Er basiert auf einem Vortrag von Veit Mathauer zum Thema “Vergesst Facebook!” und ist angereichert mit unseren Erfahrungen mit Kunden und bei Vorträgen oder Workshops.

Es gibt zwei, sagen wir mal hypothetische, Szenarien bei uns:

Kunde 1 will

Kunde 1  kommt und sagt: “Wir müssen jetzt Facebook machen.”
Wir stehen da und fragen: “Warum?”
– Stille. –
Wir fragen weiter: “Was wollen Sie erreichen? Und wen wollen Sie erreichen?”
Der Kunde 1 sagt: “Ich weiß es nicht, die machen des jetzt doch alle mit Facebook und Twitter und so. Denken Sie sich da mal was aus.”

Kunde 2 will nicht

Wir kommen und sagen zu Kunde 2: “Wir wollen uns mit Ihnen mal über Social-Media-Plattformen unterhalten und wie Sie Ihr Unternehmen dort darstellen können.”
Kunde 2 steht da und sagt: “Warum?”
Wir sagen: “Wir haben beobachtet, dass über Ihr Unternehmen schon in Social Media berichtet wird. Die Menschen suchen den Dialog zu Ihnen, manche haben sogar schon Fanpages in Ihrem Namen gegründet, wir sollten hier einsteigen.”
Kunde 2 sagt: “Ich weiß nicht, das ist doch alles nur Quatsch mit dem Facebook. Das wird sich schon wieder legen. Jetzt machen wir erst mal unsere Broschüre fertig und dann schauen wir mal, vielleicht im nächsten Jahr…” Continue reading “Social Media in Unternehmen”

Rechtzweinull: “Es kommt drauf an…”

Bei Vorträgen oder Workshops bringen mich Fragen nach dem Urheberrecht manchmal echt ins Schwitzen. “Darf man das jetzt auch auf Pinterest teilen?”, “Wie ist das denn, wenn ich ein Foto von einer Veranstaltung mache und es dann auf Facebook poste: Muss ich da alle informieren, die abgebildet sind?”, “Bilder, die ich in einer Bilddatenbank gekauft habe, kann ich dann ja für alles nutzen, oder?” Die Liste könnte ich noch endlos fortsetzen…Und auch meine Kollegen sind manchmal an ihre Grenzen gestoßen, wenn es um Urheberrechte ging, wie Veit Mathauer schon berichtet hat. Daher haben wir Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht von der Kanzlei Diem & Partner Bartsch Rechtsanwälte (Update 2014)  zu einem Workshop eingeladen, damit er uns mal aufklärt, wie sich das alles so verhält. Jetzt würde ich hier gerne Handlungsanweisungen geben, wie man sich rechtssicher verhält, aber wie Carsten Ulbricht schon so schön sagte: “Es kommt halt immer drauf an.” Continue reading “Rechtzweinull: “Es kommt drauf an…””

Recruiting im Social Web. Auf 459 Seiten.

Ein Buch, das den Puls der Zeit trifft, denn immer mehr Unternehmen machen sich natürlich Gedanken, wie sie das Social Web für die Personalgewinnung nutzen können. Viele erhoffen sich besonders die jüngere Zielgruppe so zu erreichen und für ihr Unternehmen zu gewinnen. Sonja Salmen und Bernd H. Rath haben es als Herausgeber des Buches “Recruiting im Social Web” geschafft,  interessante Autorenfachartikel zum Thema zu sammeln und diese mit konkreten Beispielen aus den Unternehmen zu untermalen. Continue reading “Recruiting im Social Web. Auf 459 Seiten.”

Heute vor 20 Jahren… Die Kommunikation

 

15. Mai 1992.

Ich bin 13 und auf dem Weg zur Schule. Das einzige elektronische Device, das ich bei mir trage, ist ein Sony-Walkman. Ja, so einer der mir die Levi’s Jeansjacke schön runterzieht, weil der ja auch noch ein integriertes Radio hat und gefühlte 10 kg wiegt. Haltungsschaden inbegriffen, doch nicht nur vom Walkman, sondern auch von meiner Schultasche. Unglaublich, wie viele Bücher, Hefte und Stifte ich mit mir rumschleppen muss. Unterwegs hole ich meine Freundin Tanja ab, denn wir laufen immer gemeinsam zur Schule. Sie gibt mir ein kleines Heftchen (getarnt als Hausaufgabenheft) zurück, in das wir uns immer gegenseitig reinschreiben, was wir so den vergangenen Nachmittag über gemacht und gedacht haben. Eine Art Tagebuch also, voller Teenagersorgen und -nöte. Ich hatte es ihr gestern gegeben, sie hat es gelesen und mir jetzt zurückgegeben. Ich bin schon gespannt, was sie reingeschrieben hat. Aber wir haben ein Ritual daraus gemacht, dass wir es erst nach der Schule daheim lesen, also muss ich wohl abwarten. Continue reading “Heute vor 20 Jahren… Die Kommunikation”

AllFacebook Marketing Conference: Das Interessanteste in 804 Wörtern.

AllFacebook Marketing Conference 2012

Am 16. April 2012 fand in München die AllFacebook Marketing Conference statt. Das Programm versprach eine interessante und spannende Veranstaltung zu werden. Etwa 350 Teilnehmer kamen in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen, um die neuesten Trends und erfolgreiche Case Studies aus dem Facebook-Marketing zu erfahren. Die Organisatoren Philipp Roth und Jens Wiese kennen die meisten durch ihren allfacebook.de-Blog. Continue reading “AllFacebook Marketing Conference: Das Interessanteste in 804 Wörtern.”

Checkliste für Messeutensilien

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Beim Aussortieren des Messekoffers stieß ich auf eine Mappe, in der sich die beste Checkliste aller Zeiten befand.

Anlässlich des Firmenjubiläums wollen wir diese gerne teilen:

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Die Liste hat schon lange ausgedient, Messestände bauen wir längst keine mehr selber. Wie es aber so ist, hat sie sich hartnäckig im Koffer gehalten. Meine Favoriten auf der Liste sind definitiv: Wecker, Leerkassette und Zündhölzer. Haben Sie auch Favoriten? Oder haben wir was vergessen, was Sie immer mit auf Messen genommen haben? Hier darf gerne kommentiert werden.

Unternehmen bewegen sich – ihre Kommunikation darf’s auch

sympra_filmPrint- und Onlinekommunikation sind inzwischen zusammengewachsen, genauso wie sich seit geraumer Zeit auch Bewegtbild mit anderen Kommunikationsformen vermischt: Rundfunksender oder Nachrichtendienste nutzen mittlerweile verstärkt Videoinhalte, um der Zielgruppe näher zu kommen, sich vielschichtiger darzustellen und um Mehrwert zu bieten. Journalisten, potenzielle Kunden und auch Bewerber suchen nicht mehr nur nach Texten im Internet, sondern genauso nach Bildern und Videos. Bewegtbildangebote dienen als Ergänzung von redaktionellen Inhalten und erreichen durch ihre einfache Verbreitung über Online-Portale neue Zielgruppen.

Betrachtet man die Stärken, die der Film gegenüber dem Text hat, ist der Trend zum Bewegtbild nicht verwunderlich. Ein gut gemachter Unternehmensfilm ist meist ansprechender als eine noch so schön gestaltete Unternehmensbroschüre – denn den Film kann ich mit allen Sinnen erfahren. Ich höre die Stimme des Geschäftsführers, sehe ihn und die Kollegen, das Arbeitsumfeld und vielleicht auch die angebotenen Produkte. Dies emotionalisiert viel stärker als die meisten anderen PR-Instrumente, ist aber trotzdem noch glaubhaft, denn: “Ich sehe es ja mit eigenen Augen”. Continue reading “Unternehmen bewegen sich – ihre Kommunikation darf’s auch”

Qype: Ansporn oder Bestrafung?

qype_blog

Seit Dezember 2007 qype ich. Qype ist ein Bewertungsportal für öffentliche Plätze auf der ganzen Welt. Begeistert davon, dass viele Läden und Plätze in meinem Stadtteil noch nicht bewertet und beschrieben wurden, verfasste ich neue Beiträge, habe mir Listen mit meinen Lieblingsplätzen angelegt, mich mit anderen Usern ausgetauscht, kommentiert und Komplimente vergeben. Ich habe mich über das Insider-Paket mit grünem T-Shirt gefreut, das man erhält, wenn man 250 Qype-Punkte und 15 Bewertungen geschrieben hat, habe fleißig weiter bewertet und bin schließlich mit 1.000 Punkten Qype-Experte geworden. Continue reading “Qype: Ansporn oder Bestrafung?”