Hoffentlich hole ich mir mit diesem Beitrag nicht die Steuerfahndung in Haus! Er ist nämlich ein Plädoyer für den Naturalientausch, vorbei am Finanzamt, steuer- und abgabenfrei. Keiner kriegt was davon mit, vom bilanzneutralen Mehrwert. Die Bank mag sich wundern, dass es uns gutgeht, ohne dass Zahlungseingänge auf dem Girokonto zu verzeichnen sind. Wir sind jedenfalls subjektiv gesehen immer gutgefahren, wenn wir uns darauf eingelassen haben. Zahlen sind ja nicht alles.
Westernpferde für Häuptlinge
Eine ehemalige Branchenkollegin, uns über gemeinsame Verbandsaktivitäten gut bekannt, hatte einen Hang zum Metierwechsel. Erst Lehrerin, dann Journalistin, später in Sachen PR für Pow-wow-tanzende Indianer unterwegs, beschloss, Managerseminare mit Westernpferden anzubieten. Das bedeutet: Führungskräfte sitzen ohne Sattel auf dem Pferd, das keine Hierarchien und keine Weisungsbefugnisse kennt. Der Manager muss dann in einem Tagesseminar lernen, so sanft auf seinen Gaul einzureden, dass dieser sich bewegt und zwar dorthin, wo für Ross und Reiter das gemeinsame Ziel gesteckt wurde. Da kein Sattel die Verbindung zwischen Mensch und Tier stört, sei dies ein sehr intensives Erlebnis. Das auf der Koppel Erlernte, sollte fortan die Führung der Büromitarbeiter vereinfachen, beflügeln. Um möglichst viele Teilnehmer für den Kurs zu finden, brauchte es intensiver Kommunikationsunterstützung, die die Trainerin bei uns einkaufen wollte. Man mag nun ahnen, was kommt: Natürlich verfügte die Gründerin über keinerlei Mittel dazu und bot uns im Gegenzug ein eintägiges Seminar auf dem Rücken des Pferdes an. Ok – Deal! Wir konnten dem Startup dank diverser PR-Aktivitäten einen ordentlichen Schub geben – nachhaltig, denn, wie ich jüngst googlete: Die Seminare gibt es auch nach 20 Jahren noch! (Weniger nachhaltig waren meiner Erinnerung nach die Erkenntnisse durch das Seminar …)
Geschirr für Brautpaare in spe
Ein zweites Standbein kann nicht schaden dachte sich auch ein befreundetes Grafikdesignerpaar, das irgendwie in Kontakt mit dem Juniorchef einer Porzellanmanufaktur kam. Der hatte das Problem, dass bei der Produktion immer wieder Zweitewahl-Ware entstand, für die er nur einen kleinen Markt durch seinen Fabrikverkauf hatte. Die beiden Designer indes wollten für die fehlerhaften Produkte einen ganz neuen Markt erschließen: durch den Versand von Polterabendgeschirr. (Für die jüngeren Leser: Während junge Menschen wenige Tage vor ihrer Vermählung heute im Hasenkostüm durch die Fußgängerzone rennen oder sich von Passanten Löcher in T-Shirts schneiden lassen, lud man früher Freunde am Vorabend der Trauung zum Poltern ein. Gäste schmissen – nach dem Motto „Scherben bringen (Ehe-)Glück“ – Teller und anderes Steingut auf den Steinboden und zwangen so die Brautleute einen Abend lang zum Zusammenkehren der Scherben.) Die Idee schien eigentlich gar nicht schlecht, und die beiden Kreativen kauften ein paar Kisten leicht beschädigter Teller und Tassen. Ob wir ihnen vielleicht beim Bewerben des neuen Angebots helfen könnten? Im Gegenzug würden wir Gestaltungsleistungen für umme bekommen. Wir würden unsere Aufwände dokumentieren und irgendwie würde das Ganze am Ende ausgeglichen sein. Wieder so ein Deal. Wir publizierten Beiträge in den Sonderbeilagen „Wir heiraten“ regionaler Tageszeitungen, das Internet war damals noch nicht soweit, als dass man relevante Reichweite erzielen hätte können. Wir ließen im Tausch ein Sympra-Büchlein produzieren. Ganz reichte dafür unser Stundenbudget allerdings nicht dafür aus, denn die Nachfrage nach Polterabendgeschirr war a) PR-Speech „überschaubar“ bzw. b) vulgo „gleich null“. Die Vertriebsaktivitäten wurden zeitnah eingestellt. Ich muss gelegentlich mal nachfragen, ob die Kisten von der Porzellanfabrik bei den beiden Kollegen noch irgendwo gefüllt im Keller stehen.
Reden für verdiente Köchinnen
Der Anruf der Dame kam direkt bei mir an. Sie hätte unsere Telefonnummer in den Gelben Seiten recherchiert. (Oha!) Ob wir auch Reden schrieben? (Ja.) Ob sie am Nachmittag bei uns vorbeikommen dürfte. (Gerne.) Um 15 Uhr klingelt es, und eine nette, ältere Dame betrat unsere Lobby. Noch bevor wir uns begrüßen konnten, blickte sei ein wenig hilflos an die Decke in Richtung Obergeschoss und fragte sich – für alle gut hörbar: „Jee, ob ich mir das überhaupt leisten kann?!“ Worum ging’s? Die Dame arbeitete in der Küche eines Krankenhauses und musste bei einer Jubiläumsfeier für zwei verdiente Mitarbeiterinnen eine kleine Laudatio halten. Das war nun auch für uns keine leichte Aufgabe, denn sie wusste partout nichts Positives über die beiden Kolleginnen zu berichten. Wir würden es aber bestimmt hinkriegen, konnten wir sie beruhigen, wir müssten ja immer wieder für kritische Sachverhalte passende Worte finden. Ganz unsicher und beängstigt war sie, was die Bezahlung unserer Leistung anging. (Durchaus zurecht, denn mit unseren Stundensätzen orientieren wir uns eher an der B2B-Welt als an Privatpersonen.) Da die Dame in der Klinikküche arbeitete, schlugen wir vor, sie möge uns doch einfach einen Kuchen backen und dann sei dies für uns okay, zudem eine schöne Übungsaufgabe für unseren Trainee. Sie war begeistert! Die Rede schlug offenbar ein: Die beiden nicht so ganz gut auf sie zu sprechenden Kolleginnen waren zu Tränen gerührt, ihr Chef ob der Formulierungskünste seiner Mitarbeiterin aus dem Häuschen. Mission erfüllt. Tagsdrauf kam die Dame, um ihre Schulden zu begleichen. Sie hatte für uns einen riesengroßen Obstkuchen und eine Sahnetorte gebacken, die Woche darauf kam als Zugabe eine Erdbeertorte. Auch im darauffolgenden Jahr gab es eine Jubilarin und eine Wiederholung des Kuchen-für-Rede-Prinzips. Jetzt haben wir schon eine ganze Weile nichts mehr von der Dame gehört. Ich sollte vielleicht mal bei ihr anrufen?
Wir nehmen aber nicht jedes Angebot an: Eine Künstlerin überlegte, ihr Atelier in die Stafflenbergstraße 32 zu verlegen, hätte aber die Miete zum großen Teil in Bildern bezahlen müssen (ich hätte das durchaus interessant gefunden, meine Kollegen und meine Familie aber nicht.)
Tatsächlich kamen wir mit unserem Naturalientausch nie auf einen grünen Zweig, und das Controlling darf erst gar nicht drauf schauen. Es wäre auf die Dauer auch mühsam, ständig Pressemeldungen für den Bäcker zu texten und Kommunikationskonzepte für die Reinigung zu erstellen. Ich bereue aber auch keines dieser Projekte. Schon allein fürs Storytelling haben sie sich gelohnt.
Schreibe einen Kommentar