Praktikanten und der Bärendienst der SPD

Dass Auszubildende keine Auszubeutenden sind, hat sich in den anständigen Unternehmen ja bereits herumgesprochen. Die meisten Werbe- und PR-Agenturen gehören dazu, die meisten Rundfunkanstalten, die meisten Verlage. Zusammenschlüsse wie „Fair Company“ oder die Vereinbarungen der großen Verbände wie GPRA, DPRG oder GWA zeigen das. Praktikanten sind per definitionem Auszubildende. Deshalb kostet ihre Beschäftigung nicht nur ein paar Hundert Euro pro Monat, sondern sie erfordert einen gewissen Ausbildungsaufwand in den Unternehmen. Das sind in aller Regel sinnvolle Investitionen, denn oft werden aus fähigen Praktikanten später Trainees (oder Volontäre, wie sie in unserer Branche früher hießen). Auch die brauchen ein anständiges Gehalt, welches sich z.B. nach den Tarifverträgen des Deutschen Journalistenverbandes richtet. Vor allem aber brauchen die Praktikanten und die Trainees die Sicherheit, dass sie nicht über lange Zeit, manchmal über Jahre, als billige Arbeitskräfte missbraucht werden.

Diese, nur so genannten „Praktikantenarbeitsverhältnisse“, hatte die SPD wohl vor Augen, als sie jetzt im Koalitionsvertrag das Kind mit dem Bad ausgeschüttet hat. Viel besser wäre gewesen, strikter als bisher dafür zu sorgen, dass ein Praktikantenarbeitsverhältnis eben nur maximal sechs Monate dauern darf. Wenn in diesen sechs Monaten ordentlich ausgebildet wird, dann sind aus meiner Sicht 500 oder 600 Euro eine absolut ausreichende Aufwandsentschädigung. Kaum ein Unternehmen, das bisher jungen Menschen diese Ausbildungschance geboten hat, wird aber jetzt bereit sein, zusätzlich zum eigenen Ausbildungsaufwand mehr als das Doppelte an Vergütung zu bezahlen – rein rechnerisch bei 160 Arbeitsstunden pro Monat wären das 1.360 Euro.

Was würde die Folge sein? Studierende an den Hochschulen werden auf ihre praktischen Erfahrungen verzichten müssen. Die Unternehmen werden ihre neuen Mitarbeiter wieder verstärkt nach „Zeugnislage“ und / oder in komplizierten Assessment-Runden auswählen – statt aus der „praktischen“ Erfahrung. Ich sehe sogar die Gefahr am Horizont, dass Praktikanten statt zu lernen eben doch nur noch zum nützlichen Arbeiten eingestellt werden – denn jetzt muss man ja nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben, wenn man ja schließlich nach Mindestlohn bezahlt. Dass der „Lohn“ für den Praktikanten auch aus der Ausbildungsleistung des Unternehmens besteht, haben die Mütter und Väter des Koalitionsvertrages offensichtlich vergessen. Wenn aber die SPD argumentiert, dass auch in der Ausbildungswilligkeit eines jungen Menschen eine vergütungspflichtige Leistung zu sehen wäre, dann verstehe ich nicht, warum der Mindestlohn nicht auch Studierenden und Schülern zustehen soll. Bestimmt sind die deutschen Unternehmen bereit, diese zusätzlichen Kosten über eine Umlage zu finanzieren. Oder vielleicht doch nicht?

 

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Kommentare zu diesem Post

Spargeltarzan

Dann bekommt ein Praktikant ja mehr als ein Volontär - Skandal! Fragt sich nur von welcher Seite. Volontäre erhalten in PR-Agenturen zwischen 12.000 und 24.000 Euro im Jahr, im Schnitt also 1.500 Euro monatlich (es mag Ausnahmen geben, aber wir reden von der gesamten Branche). In Steuerklasse I sind das etwa 1.100 Euro netto - die unbezahlten und nicht abgeltbaren Überstunden lassen wir außen vor. Und hier reden wir nicht von einer/m klassischen Auszubildenden, sondern von Akademikern, die nach einem mehrjährigen Studium als Vollzeit-Arbeitskräfte in den Agenturen arbeiten/wertschöpfen. Also bitte, liebe Agenturen, eher einmal die eigene Personalpolitik hinterfragen!

Helmut von Stackelberg

Nein, ein Praktikant bekommt - zumindest bei uns - nicht mehr als ein Volontär, der in der Tat meistens ein abgeschlossenes Hochschulstudium als Einstiegsqualifikation vorweisen kann. „Einstieg“ deshalb, weil das Studium (glücklicherweise) auch heute noch keine „Berufsausbildung“ ist, sondern immer noch (wie lange?) eine Reihe von überfachlichen Fähigkeiten vermittelt. Ein Bachelor- oder ein Master-Absolvent hat nun mal noch keine Praxiserfahrung, die ihn (oder sie) vom ersten Tag an als „Vollzeit-Arbeitskräfte in den Agenturen arbeiten/wertschöpfen“ lassen kann. Eine Volontärin oder ein Volontär durchläuft in ernst zu nehmenden Ausbildungs-Agenturen einen recht strikten Ausbildungsplan (der im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist) mit externen Ausbildungsteilen, welche die Agentur bezahlt. Wo liegt da der Skandal, wenn die Volontariatszeit noch keine Vollverdienerzeit ist? Warum ist es skandalös, wenn wir uns an die DJV-Tarifverträge halten und zwischen EUR 1.411 und EUR 2.031 (je nach Lebensalter) bezahlen? Und: Ja, wir hinterfragen immer wieder unsere Personalpolitik und unsere Ausbildungspraxis. Deshalb haben wir vor ein paar Jahren aus dem zweijährigen Volontariat eine 15-monatige Traineephase gemacht. Denn wir waren auch der Meinung, dass nach drei Jahren Bachelor-Studium zwei weitere Jahre „Schulbank drücken“ nicht angemessen ist. Aber wir wollen nicht vom Thema abkommen: Die Praktikantin oder der Praktikant ist in den drei Monaten, die sie oder er in der Agentur mitarbeitet, keine „Vollzeit-Arbeitskraft“, sondern jemand, der von uns erste Erfahrung vermittelt bekommt und von uns (oftmals berufsorientierend) ausgebildet wird. Deshalb haben wir kein schlechtes Gewissen, einem Praktikanten kein „Volontärsgehalt“ zu bezahlen, sondern weniger. Keinen Mindestlohn, sondern eine Aufwandsentschädigung.

Veit Mathauer

Zu diesem Thema ein Beitrag in der w&v: www.wuv.de/agenturen/agenturchefs_8_50_euro_fuer_praktikanten_nicht_leistbar

Sympra bietet ab 1.1.2015 keine Praktika mehr an. | Sympra Public Relations Blog

[…] Wir wollten es ja nicht glauben, aber ab 1. Januar 2015 greift der Mindestlohn auch für Praktikanten, wenn sie länger als […]