Heute vor 20 Jahren…Design à gogo…Bücher und Jubiläen

Der mobile Boden: Entwurf zum Boden der Zukunft vom Team der Universität der Künste (UdK) Berlin

Vor rund 20 Jahren tauchte ich ein in die Welt der Corporate Cultures, Corporate Identities und Corporate Designs. Die Plattform: Knoll und ERCO, äußerst designbewusste Hersteller von Büromöbelsystemen und Bauhausmöbeln sowie von Leuchten und Lichtsystemen für die Architekturbeleuchtung. Hier verdiente ich mir nach dem Studienabschluss meine ersten Sporen in Sachen Marketing und Kommunikation. Innenarchitektur, Architektur und Gestaltung standen bei beiden Unternehmen tagtäglich im Mittelpunkt des Geschehens. Es war eine neue, bunte Unternehmenswelt, die sich mir da auftat, viel tiefgründiger, als es auf den ersten Blick vermuten ließ.

Inhalte für die Tiefgründigkeit des Themas CI lieferte vor allem die Person des Gestalters Otl Aicher, charismatischer Chefberater bei ERCO in allen Fragen der Visuellen Kommunikation. Er hatte 1953 zusammen mit seiner Frau Inge Aicher-Scholl und dem Schweizer Max Bill die Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) gegründet. 1972 entwickelte er als Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spiele von München unter anderem ein bis heute weit verbreitetes System von Wegweiser-Piktogrammen. Aicher erarbeitete das Erscheinungsbild namhafter Firmen wie Lufthansa, ZDF, Braun, FSB, Bulthaup Küchen und eben auch ERCO.

CI, CD und Co. – Wie das in der Praxis aussah

„Licht statt Leuchten“ im ERCO Hochregallager

Am ersten Tag im Technischen Zentrum der ERCO Lichtfabrik (eine Leuchtenfabrik war es vor der Umsetzung der Unternehmens-philosophie „Licht statt Leuchten“ gewesen) wurden mir drei dicke schwarze Wälzer in die Hand gedrückt, mit dem Hinweis „hier die CI-Richtlinien des Unternehmens“. Nach etlichen Tagen des Studiums hatte ich nur annähernd herausgefunden, worum es dabei eigentlich ging. In der Umsetzung und im täglichen Arbeitsleben bedeutete dies unter anderem: Die prägenden Farben meiner Umgebung waren die Firmenfarben Schwarz und Weiß (Der Verlauf des Lichts), dazu Schattierungen in Grau-Tönen und Metall. Nicht abgestimmte, bunte Schreibtisch-Accessoires oder gar Pflanzen waren im neuen Firmengebäude unerwünscht. Auch die Kugelschreiberminen hatten ausschließlich schwarz zu sein, niemals etwa ein profanes Blau. Farben überhaupt nur, wenn nötig, beispielsweise Gelb für den Blumenschmuck  bei Veranstaltungen (im Erscheinungsbild festgelegt) oder in der Kleidung der Mitarbeiter (frei wählbar). Strenge Richtlinien, die die unglaubliche Konsequenz des Gestalters Otl Aicher widerspiegelten und immer einen Sinn ergaben. Der Hintergrund dafür, dass beispielsweise die Farbe des Blumenschmucks im Erscheinungsbild festgelegt ist, ist lichttechnischer Natur. Gelb reflektiert hervorragend und erzeugt – punktförmig mit Niedervoltstrahlern beleuchtet – eine helle und sonnige Atmosphäre auf den Tischen.

Projekte, Bücher und Jubiläen – damals wie heute

Ende der 1980er Jahre machte Otl Aicher sich erneut ans Gestalten und entwickelte eine neue Schriftfamilie, die Rotis. Selbstverständlich wurden alle Druckerzeugnisse bei ERCO fortan in Rotis gesetzt, so auch die beiden Bücher „ERCO Lichtfabrik“ und „Was heißt da schon Provinz“, die zum 50-jährigen Jubiläum der Firma entstanden. Im Team diskutierten wir die Beiträge von Design- und Architekturgrößen wie Sir Norman Foster, Roy Fleetwood oder Mario Bellini sowie Aichers typografische Lehrmeinungen rund um Layout-Raster, Flattersatz, serifenlose Schriften und radikale Kleinschreibung. Je nach Inhalten und Autor wurde dies in den Büchern umgesetzt, mit zeitloser Gültigkeit. – Denn Aichers Credo lautete: „der kult der normalität ist noch immer das spannendste, was an kreativen ereignissen vor sich gehen kann. die größte geburtstagstorte oder das höchste hochhaus kann jeder machen. der beste koch verrät mir, wie man eine forelle im schlichten wasser zu kochen hat. der beste architekt sieht es ebenfalls nicht als unter seiner würde an, mit wasser zu kochen, ja gerade mit wasser zu kochen. wasser kommt wieder zu ehren, ja es wird rar.“

Und heute, gut 20 Jahre später bei Sympra, betrachte ich wieder zwei Bücher, die anlässlich eines Projekts und Firmenjubiläums entstanden sind. Im „Buch der Herkunft“ und im „Buch der Zukunft“ geht es dieses Mal um das Thema Boden – Geschichten zur Herkunft des Bodens und Zukunftsszenarien zum Boden von morgen. Herausgegeben im Rahmen des Projekts „Die Zukunft unter uns“ anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Uzin Utz AG aus Ulm. Unterschiedliche Ideen und Herangehensweisen, aber der Beweis, dass gute Gestaltung immer ihre Gültigkeit behält.

P.S.: Otl Aicher gilt als einer der Wegbereiter des Corporate Design, 2012 wäre er 90 Jahre alt geworden. Das HfG-Archiv Ulm feiert diesen Anlass mit der Ausstellung „Otl Aicher – Die Regenbogenspiele. Das visuelle Erscheinungsbild der XX. Olympischen Spiele, München 1972“.

Bilder: Uzin Utz AG und ERCO GmbH

Über die Verfasserin

Anahita Shakour-Wiegand ist Senior Consultant für die Redaktion von Bau-Themen und berät Kunden in allen Bereichen der PR, vornehmlich als Bau-Expertin. Agenturerfahrung im Baubereich sammelte sie zuvor sechs Jahre als Consultant und Senior Consultant in einer Agentur für Bauwesen, Wohnen und Einrichten.

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