Crowdfunding: Der Reiz des Neuen oder ein echtes Finanzierungsmodell?

Ein relativ neues Finanzierungsmodell erobert das Internet: Das „Crowdfunding“, also die Schwarmfinanzierung, ist ein neuer Weg der Geldbeschaffung. Die eigentlich simple und (grundsätzlich) gute Idee ist wie so vieles aus der Bedürftigkeit heraus geboren. Seit vielen Jahren besteht das Problem der illegal im Internet kopierten und vertriebenen Musik. Dass am anderen Ende – nämlich dem Musiker – das nötige Geld für weitere Musikprojekte fehlt, brachte Brian Camelio im Jahr 2000 dazu, die Plattform ArtistShare.com (seit 2006 in Europa als SellaBand.com bekannt) zu gründen. Die Musiker stellten hier ihr Musikprojekt vor und konnten es sponsern lassen. Mittlerweile gibt es Plattformen für Foto-, Film- oder sonstige Projekte wie emphas.is, mySherpas.com oder startnext.de.

Wer macht es?

Doch wer investiert in angestrebte Projekte auf Internetplattformen? Genau das ist das Geheimnis des Crowdfundings. Jeder, der an die Idee glaubt, gibt ein bisschen Geld. Zu Beginn legt der Projekteigentümer fest, wie viel Sponsorgelder mindestens zusammen kommen müssen und ob es eine Gegenleistung für den Sponsor gibt. Diese Mindestgrenze wird im Idealfall innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens erreicht. Wird ein Projekt erfolgreich „gefundet“, so kann es umgesetzt werden. Falls nicht, dann wird das bezahlte Geld an die Sponsoren zurückerstattet. Das Crowdfunding vor eine Projektrealisierung zu terminieren, kann so die klassische Marktanalyse ersetzen. Die Crowd bestimmt mit, was sie sehen, hören, lesen oder anderweitig konsumieren will und was von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Die Mobilisierung der eigenen Fanbase obliegt allerdings dem Projektinhaber. Wer seine Fans nicht mit ins Boot holt, dessen Projekt wird schwer umsetzbar sein. Im  Idealfall entwickelt sich daraus eine echte Promotion: Die aktive web 2.0-Gemeinde übernimmt das Marketing, um so – falls nötig und erwünscht – weitere Sponsoren (beispielsweise via „Crowdinvesting“) zu finden.

Die Macht der Crowd – Mitspracherecht für fast alle

Auch wenn es gern als solches bezeichnet wird, ist Crowdfunding kein basisdemokratisches Phänomen. Vielmehr ist die Kaufkraft entscheidend: Wer viel zur Verfügung hat, kann einen großen Einfluss nehmen und umgekehrt. Allerdings zählt insbesondere noch zu Beginn dieses neuen Phänomens die Stimme des einzelnen „Funders“. Der einzelne Sponsor wird zu einem Mitgestalter, und sei sein Beitrag auch noch so klein. Insgesamt wurden zwischen Herbst 2010 und April 2012 in Deutschland rund 1 Million Euro via Crowdfunding eingesammelt (siehe co:funding Blog).

Crowd…-was?

Knackpunkt des Crowdfundings ist der (noch) fehlende Bekanntheitsgrad. Bekanntes Beispiel für ein teils mit Crowdfunding umgesetztes Projekt ist der Film „Iron Sky“, der bei der Berlinale 2012 viel Beachtung fand. Für andere Bereiche fehlen noch bedeutende Vorreiter. Diese Rolle können etablierte Musik-, Film- oder Fotografiegrößen übernehmen, die sich ein Projekt durch Crowdfunding finanzieren lassen – obwohl sie es nicht nötig hätten. Wenn diese Vorgehensweise entsprechend publik gemacht wird, werden aus 100 schnell 10.000 interessierte Funder.

Update, Oktober 2013: Leider ist emphas.is insolvent.

Jasmin Sieverding ist seit Mai 2012 bei Sympra und als Senior Consultant tätig. Leidenschaftlich beschäftigt sie sich mit Fragen der Digitalisierung, IoT, Industrie 4.0.

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