“Den Verlagen und Sendern fällt es sehr schwer, grundsätzlich neue Modelle zu entwickeln und radikal anders zu denken.“

Sympra betreut bereits seit über einem Jahr in Deutschland die Pressearbeit von emphas.is. Die Crowdfunding-Plattform bietet Fotojournalisten auf der ganzen Welt die Möglichkeit, ihre Projekte mithilfe von Schwarmfinanzierung zu realisieren. Mit einem ähnlichen Konzept – jedoch mit dem Fokus auf Text und auf Deutschland – starteten vor drei Wochen die Krautreporter. Im Interview mit Tina Ahrens von emphas.is und Sebastian Esser von den Krautreportern haben wir einige spannende Aufgaben, Möglichkeiten und Hürden von Crowdfunding kennengelernt.

Sympra: emphas.is ist im Bereich Crowdfunding für Fotojournalisten bereits seit drei Jahren erfolgreich. Könnt Ihr Euch noch an anfängliche Hürden erinnern? Wenn ja welche?

Tina Ahrens ist Mitgründerin von emphas.is

Tina Ahrens: Wir waren zum Launch noch ganz am Anfang der Crowdfunding-Welle und wir mussten das Konzept Crowdfunding außerhalb der USA erst mal salonfähig machen. In Deutschland und Frankreich bestanden Zweifel, dass man das Konzept längerfristig erhalten könnte.

Sympra: Hattet Ihr in Deutschland bisher auch mit Skepsis zu kämpfen, Sebastian?

Sebastian Esser: Ja, die Skepsis gibt es hier immer noch. In Deutschland wird das Thema als Hype wahrgenommen, der demnächst vorbei ist. Vielleicht nennen wir diese Form der Finanzierung in Zukunft nicht mehr Crowdfunding. Aber sie wird nicht mehr weggehen. Zum Glück überwiegt aber die Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren, und das macht mich froh, denn wir Deutschen behaupten ja immer das Gegenteil von uns selbst.

TA: Ja, wenige können sich vorstellen, dass man „Communities“ aufbauen kann, die Projekte über einen längeren Zeitraum unterstützen wollen. Aber gerade damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Drei Fotografen haben bereits ihr zweites bzw. drittes Projekt erfolgreich über emphas.is finanziert, und viele Unterstützer sind ihnen treu geblieben.

Sympra: Was hat Euch denn dazu bewogen die Krautreporter zu gründen, Sebastian?

SE: Ich bin von Hause aus Medienjournalist. Seit ich vor etwa zehn Jahren angefangen habe, berichte ich über den Niedergang der Medienwirtschaft. Ebenso lange kennen wir alle die Diagnose: Leser, Zuschauer und Hörer nutzen im Internet andere Medien, die Flächen für Anzeigen sind unendlich. Das Geschäftsmodell von Zeitungen und Sendern verschwindet dadurch allmählich. Und wenn man sich das zehn Jahre lang immer wieder anhört, bekommt man erst schlechte Laune, und dann Lust, etwas selbst zu unternehmen. So hat’s angefangen. Bei den Fotografen ist die Lage ja schon länger so desolat, oder Tina?

TA: Ja, die waren mit die Ersten, die unter der Krise gelitten haben. Zudem sind die Honorare für Freie, was ja die meisten Fotografen sind, seit Jahrzehnten nicht mehr gestiegen bzw. sogar gesunken.

SE: Ja, in dieser Realität sind die freien Journalisten inzwischen auch angelangt und lernen von den Fotografen. Zum Beispiel gibt es seit einiger Zeit der Berufsverband Freischreiber als Pendant zu Freelens.

Sympra: Tina, Ihr seid als Pioniere durchgestartet und wart schnell sehr erfolgreich. Gibt es Probleme und Herausforderungen, mit denen Ihr noch heute zu kämpfen habt?

TA: Nun, wir merken noch immer, dass es eine gewisse Scheu bei Fotografen gibt, Crowdfunding auszuprobieren. Einige haben Angst, öffentlich zu scheitern. Was passiert, wenn mein Projekt nicht genügend Begeisterte findet? Manche haben Probleme, es sportlich zu sehen und es nicht als Niederlage aufzufassen. Unsere Erfahrung ist, dass eigentlich alle Projekte, bei denen die Fotografen oder Filmemacher eine gute Kampagne in eigner Sache hingelegt haben, also wirklich Zeit, Energie und Enthusiasmus gezeigt haben, ihr Projekt bekannt zu machen und Interessenten zu finden, es auch geschafft haben. Das heißt: Man hat viel selbst in der Hand, ob das Projekt zustandekommt oder nicht. Und die Investorensuche ist für uns eine andauernde. Wenn man als Plattform wachsen will, braucht man Investitionen und mehr Mitarbeiter. Das sind, glaube ich, die üblichen Start-up-Probleme. Wie wachse ich weiter, jetzt, da unsere Idee sich als erfolgreich bewiesen hat?

Sympra: Aus Eurer Erfahrung heraus: Gibt es Tipps, die Ihr den Krautreportern ans Herz legen möchtet, um den Fotografen, bzw. Journalisten die Scheu zu nehmen?

TA: Ich denke, die Journalisten und Fotografen brauchen anfangs viel Hilfestellung: Unterstützung beim „Pitch“, Ratschläge bei der Werbung für das eigene Projekt. Denn es ist ja für die meisten Neuland, sich mit den Lesern auseinanderzusetzen, sie zu begeistern, sie hinter die Kulissen schauen zu lassen.

SE: Mich würde interessieren, wie Du den Fotografen erklärst, was sie da eigentlich verkaufen – von den Prämien oder Euren Büchern mal abgesehen. Ich behaupte, sie verkaufen den Zugang zu ihrem Reporterteam, den Eintritt zu einem authentischen Erlebnis, den Blick ins Cockpit sozusagen. Stimmt das überhaupt? Mal davon abgesehen, dass wir Journalisten ein Problem mit dem Begriff „verkaufen“ haben. Aber die Begriffe sind ohnehin zumindest im Deutschen ein besonderes Crowdfunding-Problem.

TA: Ja, das war ja von Anfang an unsere Idee, dass man Transparenz in den journalistischen Prozess bringt und Leute an der Entstehung Teil haben lässt. Dafür sind viele bereit, einen Beitrag zu leisten. Tomas van Houtryve ist da ein tolles Beispiel. Er hat seine Community die Bilder editieren lassen und mit Ihnen über seine Auswahl diskutiert. Das ist eine Art „Masterclass“ in Fotografie. Das empfinden viele als wertvoll. Ja, verkaufen ist nicht das richtige Wort. Es geht ja viel mehr darum, ein Projekt zu ermöglichen und nicht ein Produkt per se zu verkaufen.

SE: Stimmt, das klingt angenehmer, aber am Ende ist es doch ein recht klassischer Vermarktungs-Job, den Journalisten da lernen.

TA: Aber wichtig ist, dass es nicht Spenden sind, sondern etwas im Gegenzug angeboten wird, was ein Bedürfnis der Leser befriedigt.

SE: Für Journalisten verändert dieser Prozess das Verhältnis zu Ihren Lesern und Hörern grundlegend. Diese Augenhöhe gab es bisher nicht und das ist für die Kollegen etwas sehr Befriedigendes, um nicht zu sagen Berührendes. Und für viele Unterstützer auch.

TA: Eben. Aber das ist nicht Vermarktung, das klingt zu kalt. Gerade dieses Gefühl der “Nähe”, des Austausches ist ja das Besondere am Teilhabenlassen des Lesers an einem bisher total abgeschirmten Prozess. Aber ich weiß, was du mit Vermarktung meinst: Die Journalisten, Fotografen und Filmemacher müssen eine neue Art der Kommunikation erlernen.

Sympra: Sebastian, wo seht Ihr Euch in drei Jahren?

SE: Drei Jahre finde ich einen sehr langen Zeitraum – wir denken im Moment eher so zwölf Monate voraus. Aber grundsätzlich möchte ich erreichen, dass Journalismus-Crowdfunding in Deutschland etwas Etabliertes und Normales ist, das Geschichten ermöglicht, die traditionelle Medien eben inzwischen einfach nicht mehr hinbekommen. Wir Journalisten sollten unsere Arbeit selbst finanzieren können, den Verlagen und Sendern fällt es sehr schwer, grundsätzlich neue Modelle zu entwickeln und radikal anders zu denken.

Sympra: Habt ihr denn auch schon Resonanz von Seiten der Verlage bekommen? Gehören die auch zu Euren Geldgebern?

SE: Nein, das Projekt haben wir selbst finanziert. Die meisten Verlage sind skeptisch. Sie scheuen sich zuzugeben, dass sie sich manche Dinge eben nicht mehr leisten können. Viele haben solche Sachen wie Communitys noch nicht verinnerlicht. Es gibt aber Ausnahmen. Mit einer dieser Ausnahmen starten wir nächste Woche ein Projekt.

Sympra: Darfst du dazu schon etwas sagen?

SE: Es geht um eine Regionalzeitung und ein lokales Projekt – so was ist für Crowdfunding auch besonders gut geeignet, glaube ich. Wie sehen solche Kooperationen bei Euch aus, Tina?

TA: Das ist etwas, was wir auf emphas.is zunehmend sehen: Institutionen, die früher nie zusammengearbeitet hätten, beteiligen sich mit den Lesern an Projekten. Alle haben ja kleinere Budgets und Kooperationen machen viel Sinn. Wenn Fotografen einverstanden sind, übernehmen interessierte Medienpartner, die wir an Bord haben, einen Teil des Budgets, geben sozusagen eine Garantie, um sich die Veröffentlichungsrechte in ihrem Markt zu sichern. Die Fotografen verhandeln Honorare dann selber aus, wenn das Projekt fertig ist. Ähnliche Kollaborationen gibt es mit Hilfsorganisationen, die in dem Bereich arbeiten, die die Problematik bekannter machen wollen und heilfroh sind, dass sich ein Journalist dem Thema widmet. Auch sehen wir ab und an Unternehmen wie Fuji, Hasselblad, Canon etc., die Projekte unterstützen wollen, die Teile ihres Corporate-Social-Responsibilty-Budgets für unsere Projekte ausgeben.

SE: Geht Ihr mit solchen Projekten gezielt auf Firmen und Institutionen zu, oder hat sich das ergeben?

TA: Wichtig ist dabei, dass keiner den Löwenanteil übernimmt und so Einfluss auf die Geschichte haben könnte. Wir wollen die Unabhängigkeit der Fotografen ermöglichen, eine Geschichte so aufzuarbeiten, wie sie sie für richtig halten. Wir gehen auf Partner zu, wenn wir denken, sie könnten an einem Projekt interessiert sein, einige kommen auch alleine auf uns zu. Es hilft, dass mein Partner Karim und ich über zehn Jahre in den Medien gearbeitet haben und ein großes, internationales Netzwerk haben. Ich bin Fotoredakteurin und war lange bei GEO, zuletzt in New York im Korrespondentenbüro; Karim ist freier Fotojournalist.

Sympra: Könnt ihr euch Synergieeffekte untereinander vorstellen?

TA: Es hilft immer, von Erfahrungen anderer zu lernen.

SE: Wir haben gerade das LobbyPlag-Projekt gestartet, da geht es um den Einfluss von Lobbyisten auf die Gesetzgebung in Brüssel. Das ist ein Thema, das alle EU-Bürger angeht – wir haben uns aber auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Wenn eine ähnliche Situation mit einem Foto-Projekt entstehen würde, könnte ich mir das gut vorstellen.

Sympra: Sebastian, habt ihr eine Filterinstanz oder wie überprüft Ihr, dass Projekte Hand und Fuß haben?

SE: Die Filterinstanz sind wir. Krautreporter soll für guten, soliden, unabhängigen Journalismus stehen. Wenn uns ein Projekt nicht überzeugt oder wir die Chancen als nicht so gut einschätzen, bitten wir den Reporter, es mit einer anderen Plattform zu versuchen, davon gibt es ja inzwischen sehr viele. Unsere wichtigste Existenzberechtigung ist es, dass wir eine Marke aufbauen, die den Projekten auf der Plattform weiterhilft. Das geht nur mit Subjektivität, glaube ich.

Sympra: Tina und Sebastian, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Euch viel Erfolg mit Euren Plattformen und hoffen sehr, dass Ihr viele Unterstützer für Euer Projekte findet.

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Über emphas.is:
Die Crowdfunding-Plattform stellt eine einzigartige Verbindung zwischen Fotojournalisten und deren Publikum her. Das innovative Modell bietet Fotojournalisten ganz neue Finanzierungsmöglichkeiten. Die Internet-Öffentlichkeit beteiligt sich finanziell an den Projekten und entscheidet damit über die Fotostory von morgen. www.emphas.is
Update, Oktober 2013: Leider ist emphas.is insolvent.

Über die Krautreporter:
KrautreporterKrautreporter ist die Journalismus-Crowdfunding-Plattform für den deutschsprachigen Raum. Viele Journalisten haben die Idee für eine Story im Kopf, die nur darauf wartet, recherchiert und veröffentlicht zu werden. Krautreporter bietet Journalisten wie Printreportern, Fotografen, Dokumentarfilmern oder Podcastern die finanzielle Möglichkeit, eine Story zu recherchieren und zu veröffentlichen. www.krautreporter.com

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